Musterprozess Corona Soforthilfe – Gibt es doch noch Chancen?

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Foto: Melanie Fredel
War beim gestrigen Gerichtstermin im Stuttgart dabei: Ralph-Joachim Hoffmann
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War beim gestrigen Gerichtstermin im Stuttgart dabei: Ralph-Joachim Hoffmann

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Gestern lief in Stuttgart die erste mündliche Verhandlung in Sachen Rückzahlung der Corona-Soforthilfe beim Verwaltungsgericht. Ralph-Joachim Hoffmann war mit einigen Friseurkollegen und Vertretern der "Initiative Friseure für Gerechtigkeit" vor Ort, um die um die Musterklage von Holger Schier City Friseur zu unterstützen. Seine Einschätzung.

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Vorab: Die Gerichtsverhandlung lief ausgesprochen harmonisch ab, was auch die vorsitzende Richterin am Schluss betonte und sich bedanke, dass auch von den zahlreich anwesenden Zuschauern (größtenteils Friseure!) keine emotionalen Einwürfe oder Zwischenrufe erfolgt sind. Wir waren 9.30 Uhr bis 14:50 Uhr im Gerichtssaal dabei.

Verhandelt wurden am gestrigen Tag zwei Fälle:

Der Hotel- und Gaststättenbetireb Groll Hotel und Restaurant GmbH & Co KG

Und Friseurunternehmer Holger Schier City Friseur GmbH klagten gegen die (Teil-)Rückzahlung der Corona Soforthilfe. Aktenzeichen: 15 K 7081/23 und 15 K 7121/23

Der Verhandlungsablauf: Zu Beginn der Verhandlung wurden die Kläger, vertreten durch die Unternehmen Groll Hotel und Restaurant sowie die City Friseur GmbH, von der Kammer befragt. Der Fokus lag auf der Antragstellung, der Verwendung der erhaltenen Gelder und der Frage, warum die Unternehmen der Ansicht waren, diese Mittel nicht zurückzahlen zu müssen. Es wurde festgestellt, dass viele ähnliche Fälle bei den Verwaltungsgerichten eingegangen waren und diese in Paketen von jeweils 20 Fällen auf die Gerichte verteilt wurden. Dabei wurde betont, dass die Verhandlungen jedes Falles unabhängig voneinander geführt werden und nicht zwingend auf andere Fälle anwendbar sind.

Die Soforthilfeprogramme, die Gegenstand der Klage waren, wurden vom Land Baden-Württemberg ins Leben gerufen, bevor der Bund eigene Programme auflegte. Das schnelle Handeln des Landes spielte hierbei eine entscheidende Rolle.

Seite der Beklagten: Die Vertreter des Landes Baden-Württemberg wurden zu dem Zweck der gewährten Hilfen befragt. Insbesondere wurden Der Antrag und die Bewilligungsbescheide einzeln erörtert und diskutiert. Im Antrag und den Bescheiden war an mehreren Stellen festgehalten, dass die Soforthilfe aufgrund von Umsatzeinbrüchen, existenzbedrohenden Wirtschaftslagen und Liquiditätsengpässen gewährt wurde. Allerdings wurde in diesen Schreiben nicht explizit darauf hingewiesen, dass die gewährte Summe unter Umständen zurückgezahlt werden müsse.

Im März 2020 wurden die FAQ’s zu den Soforthilfeprogrammen aktualisiert, doch auch danach wurden die Begriffe „Umsatzeinbruch“, „existenzbedrohende Lage“ und „Liquiditätsengpass“ weiterhin in den Bescheiden verwendet, was für Verwirrung sorgte.

Schlüsselpunkt der Verhandlung: Eine zentrale Frage der Verhandlung war, ob der konkrete Zweck der Hilfszahlungen, nämlich die Überbrückung eines Liquiditätsengpasses für drei Monate, klar erkennbar war. Das Gericht stellte fest, dass der Verwendungsnachweis des Abschnittes 3 als eine Art Fiktion verstanden wurde, was als untypisch angesehen wurde. Das Gericht äußerte sich überrascht darüber, dass die eidesstattlichen Versicherungen auf dieser Fiktion basierten.

Darüber hinaus stellte sich die Frage, ob eine Zweckverfehlung vorliegt, wenn die erhaltene Soforthilfe von z. B. 9.000 € bereits im ersten Monat vollständig aufgebraucht wurde, obwohl in den darauffolgenden zwei Monaten wieder Gewinne erzielt worden waren. Dies führte zu Problemen bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses über die drei Monate hinweg. Aus den Antragsformularen war nicht klar ersichtlich, dass der Liquiditätsengpass über den gesamten Dreimonatszeitraum bestehen musste.

Richtlinien und rechtliche Auslegungen: Die maßgebliche Richtlinie vom 22. März 2020 definierte, dass es sich bei den Soforthilfen nicht um Darlehen handelte und diese nicht rückzahlbar seien, sofern es zu einem Liquiditätsengpass komme – unabhängig davon, wann dieser im Dreimonatszeitraum auftrat. In den Verhandlungen wurde auch darauf hingewiesen, dass es insgesamt 12 unterschiedliche FAQ-Versionen gab, die teilweise mehrmals an einem Tag aktualisiert wurden. Dies führte zu erheblichen Unsicherheiten bei den Antragstellern.

Bemerkenswert ist, dass von insgesamt 23.000 Fällen bislang nur vier Widersprüche erfolgreich waren, was die Komplexität und die Herausforderungen bei der rechtlichen Bewertung dieser Fälle unterstreicht.

Die vorläufige rechtliche Würdigung: Die Kammer neigte in einer ersten Einschätzung dazu, den Widerruf der Hilfszahlungen als rechtswidrig zu bewerten. Eine abschließende Entscheidung folgt.

Ausblick: Ab Freitag um 9 Uhr sollen für die Beteiligten und die Presse die Tendenzen (Tenor) für die beiden Fälle online abfragbar sein. Wir bleiben gespannt!

Drückt die Daumen, euer

Ralph