Nur 5€- oder 500€-Haarschnitte – ist das die Zukunft?!
Zuckerguss ist seine Sache nicht. Christian Funk, Friseurunternehmer und Coach, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Sache, nein um seine Sache geht – nämlich die Zukunft der Friseurbranche! Sein leidenschaftlicher verbaler Schuss vor den Bug des Handwerks – in der Hoffnung auf baldige Genesung desselben.
Seit Jahrzehnten, nein, eigentlich solange ich denken kann, schafft sich unsere Branche selbst ab. Schon 1987, als ich meine Ausbildung begann, hat man sich über meinen Berufswunsch lustig gemacht. Und natürlich brachten auch meine Eltern den Satz, den wir wohl alle kennen: „Junge, lerne etwas Vernünftiges – damit kannst Du keine Familie ernähren!“
Und heute so? Beschleunigt durch die Corona-Pandemie, Megainflation und Krieg in Europa, haben wir die vorhergesagte Pleitewelle, die sich durch unsere schöne Branche zieht! Jeder der versucht, einigermaßen sauber zu agieren, aber nicht den so nötigen Schritt in gesunde Strukturen getan hat, ist gefährdet! Kreative Kassenjongleure sind mittlerweile auch nicht mehr sicher, denn der Staat braucht Geld und viele bluten hier aktuell, nach Steuer- und Kassenprüfungen. Barber mit Clanstrukturen und dem Bedürfnis nach sauberem Geld und die durch den Staat legalisierte und geförderte Schwarzarbeit vieler Mikro-Unternehmer (über 30%!) sind diejenigen, die dem Ganzen noch etwas abgewinnen können. Kein Wunder, denn ihr Kundenklientel, die ärmste Bevölkerungsschicht, hat natürlich auch noch weniger Geld – und wächst damit!
Suche nach Perspektiven
Nun sind die Friseure durch gestundete Beiträge und Rechnungen, durch neue Kredite und Soforthilfe-Rückzahlungen oft so überschuldet, dass ein Weiterkommen für viele kaum noch möglich ist. Die Gewerkschaften machen ihren Job: Tarife steigen z. T. dramatisch (3-4 Euro pro Stunde) und die Friseure, die all das Vorhergesagte offenbar nicht geglaubt – oder wie all die Jahre zuvor, verdrängt oder verschlafen haben – werden von diesen dramatischen Lohnanpassungen überfordert! Mal abgesehen davon, dass mindestens 80% der Branche unkalkulierte und unrealistische Fantasiepreise hat, ist die Taktik „Einfach nur die Preise raufschrauben“ keine gute Idee! Denn die gebotene Qualität, der Service und das ganze Drumherum müssen ja auch irgendwie zum hohen Preis passen! Die zum Teil schlecht ausgebildeten Mitarbeiter, die diese neuen Löhne oft gar nicht wert sind, will ich gar nicht schlecht machen, aber zumindest ansprechen! Sie sind im Grunde nur die Opfer schlechter Chefs.
Seit jeher sind wir Friseure viel zu billig. Und damit meine ich nicht einmal die wirklich billigen Discount-, Barber- oder Mikro-Front, denn wir liefern reine Handarbeit und verdienen praktisch kaum an dem, was wir täglich tun! Für eine angemessene Rentabilität müssten wir mit reiner Handarbeit eigentlich mindestens 40% teurer sein als die meisten anderen Gewerke! Die Wahrheit ist: Wir sind eher 40% günstiger und an unsere niedrigen Preise gewöhnt! Statt zu kalkulieren, orientieren wir uns an den anderen Idioten, die ja selbst alle zu billig sind. So erklären sich die miesen Löhne, Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und die kaum vorhandene Rentabilität, ohne dass man da lange drüber nachdenken müsste! Wie sieht es dann sonst mit der Branche aus? 2017 waren noch ca. 233.000 Friseure in Lohn und Brot. 2020 hatten wir noch 174.000 aktive Friseure. 2022 waren nur noch 138.700 übrig! Heißt konkret: In nur zwei Jahren haben wir es geschafft, über 35.000 Fachkräfte zu vergraulen?
Sichtbarer Schwund
Ok, dann bilden wir eben endlich wieder aus? Pustekuchen. Aktuell sind nur rund 14.200 Azubis (in drei Lehrjahren) gemeldet – und davon werden ca. 60% nach der Ausbildung nicht im Beruf bleiben! Bedeutet, dass jährlich höchstens 2.500 neue Friseure aufgebaut werden können! Aber derweil werden weit mehr Fachkräfte den Beruf verlassen. Praktisch jeder Salonunternehmer ist gerade auf der Suche, aber bei den gebotenen Arbeitsstrukturen und Löhnen, werden die meisten nicht fündig werden! Wir haben es also geschafft, unser Handwerk über Jahrzehnte so unattraktiv und perspektivlos zu gestalten, dass diesen wunderbaren Beruf einfach keiner mehr machen möchte. Billig an jeder Ecke: miese Löhne, miese Arbeitsbedingungen und miese Ausbildungssituationen führen zu miesen Zukunftsaussichten für junge Menschen! Jeder Jugendliche, der heute den Berufswunsch Friseur äußert, wird gehänselt, drangsaliert und muss mit Familie, Freundeskreis und Lehrern unangenehme Diskussionen führen. Das verwundert kaum, denn noch immer sind 80% der Friseure mit Mindestlöhnen bewaffnet, und steigende Tarife werden mit getürkten Arbeitszeiten und dem Prinzip „Bar auf die Hand“ umgangen.
Glaubst Du nicht? Mal ehrlich: Kaum ein Vorstellungsgespräch endet heute noch ohne die Frage „Wie viel bekomme ich denn so?“ oder „Bei meinem Ex-Chef habe ich Summe X bekommen!“ Auf die Gegenfrage, warum er oder sie denn dort nicht mehr arbeiten würde, kommen dann oft Antworten wie diese:
- Unregelmäßige Lohnzahlungen
- Unbezahlte Überstunden
- Unhaltbares Arbeitsklima
- Unangemessene Arbeitsbedingungen
- Der Salon ist pleite
- Ich musste den Kunden nötigen, bar zu bezahlen
- Man hat mir abends gesagt, welchen „Umsatz“ ich in die Liste einzutragen habe
Aber wo sind denn die 35.000 Friseure, die wir in nur zwei Jahren verloren haben, geblieben? 26.000 davon sind arbeitslos, übrigens nicht arbeitssuchend! Bedeutet im Klartext: Bürgergeld plus Nachbarschaftshilfe bringen netto mehr ein, als für Hungerlöhne arbeiten zu gehen und sich ausbeuten zu lassen! Ist das schön? Nein verdammt, das ist eine Katastrophe! Aber so leid es mir tut: Ich kann die Leute verstehen!
Bittere Realität
Zurück zur Rechnung. Die verbliebenen 9.000 Friseurinnen und Friseure sind in andere Berufe abgewandert. Discounter und Kaufhäuser zahlen ungelernten Quereinsteigern immerhin 15€ Anfangsgehalt! Andere wiederum erhöhen den Anteil mobiler Friseure ohne Meistertitel; dann leider im Reisegewerbe – mit oft unter 22.000€ Jahresumsatz. Und der Rest? Hm, wohl kreativ. Und das alles mit dem Verbot von Werbung und Klinken putzen.
Ja, ich höre sie nun wieder: „Der Funk, der ewige Schwarzmaler!“ „Der kann nur böse Dinge vorhersagen und redet alles negativ!“ Sehe ich natürlich völlig anders. Ich habe vor kurzem alte Seminarunterlagen und Vorträge durchgeschaut – und was soll ich sagen? Ich könnte glatt auch als Orakel Karriere machen. Fast alle Vorhersagen sind recht ähnlich oder gar schlimmer eingetroffen! Ja, um sich mit Lösungen auseinanderzusetzen, müssen wir erst die Probleme erkennen und benennen! Und wer mich kennt, der weiß, ich bin Klartexter. Mir liegt es einfach nicht, Kacke in schöne Worte zu verpacken und dadurch irgendwie netter klingen zu lassen! Ich sehe darin keinen Sinn. Mist muss man klar als Mist bezeichnen – und in diesem schönsten Beruf der Welt findet man leider große Haufen davon!
Alternativen sind da!
Wie ist es nun mit Lösungen? Diese nötigen Lösungen sind nicht mal so eben einfach und leicht. Da warten auf viele Kollegen große Herausforderungen! Es geht um Weiterentwicklung oder Aussterben, um Anpassung oder darum, sich wohlmöglich in der Bedeutungslosigkeit zu verlieren. Den schwierigen Weg der Soloselbstständigkeit zu gehen, als Mikro-Unternehmer mit nur 22.000€ Jahresumsatz zu jonglieren oder eben in der Illegalität zu landen. Oder es kommt dazu, was bereits so viele praktizieren – einfach etwas Anderes zu machen! Schon jetzt zeichnet sich eine krasse Zweiklassen-Friseurgesellschaft ab. Es gibt Friseurunternehmer, die sich schon vor Jahren entwickelt haben und in Richtung High Performance aufgebrochen sind. Das sind schon jetzt die von Kunden gesuchten Salons! Es sind Friseurunternehmer, die den Mut hatten, ihre Leistung, also ihre Qualität, ihren Service, die Löhne ihrer Mitarbeiter, ihr Marketing, ihre Kommunikation sowie Spezialisierung und Education zu entwickeln. Friseurinnen und Friseure, die High Performance leben und für all das deutlich höhere, wertschätzende Preise verlangen, haben keine meckernden und klagenden Kunden im Geschäft. Sie haben eine Zielgruppe, die höchste Qualität wünscht und bereit ist, genau dafür angemessene Preise zu bezahlen!
Im August letzten Jahres habe ich nach langem Überlegen und vielen Diskussionen mit Kollegen (und zugegeben auch etwas mit Angst im Bauch) die Grundlöhne meiner Mitarbeiter freiwillig um 4€ pro Stunde erhöht. Dabei hatte ich schon vorher den Ruf, recht gut zu entlohnen. Seit 15 Jahren stelle ich keine externen Mitarbeiter mehr ein, sondern bilde neue Mitarbeiter selbst aus. Damit nehmen sie bei mir besagte High Performance sozusagen mit der Muttermilch auf. Auch auf der preislichen Ebene galten wir nicht gerade als günstig. Wir waren bei einer krassen Auslastung angekommen, was diesen Schritt natürlich schon leichter machte. Unsere Zielgruppe sind qualitätsaffine Kunden und Kundinnen, und an der Kasse kam immer öfter die Aussage: „Ach, das geht ja noch, ich dachte das wäre viel teurer! Aber es mehrten sich Aussagen im Team, dass sich der eine oder andere den Weg zur Arbeit kaum mehr leisten könnte. Auch war mir der Abstand zu den bald steigenden Tarifen zu niedrig. Ich entschied mich also für 4€ mehr pro Stunde +50% Leistungslohn bei Erreichen der Zielumsätze. Das kann man ohne Anpassung der Preise natürlich nicht realisieren.
Preise transparent kommunizieren
Diese nötige Anpassung (bis zu 30%) habe ich sehr offen kommuniziert und mich anschließend für die Unterstützung der so wichtigen Lohnanpassung bei meinen Kunden bedankt! Und was soll ich sagen? Es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe! Kaum ein Kunde hat etwas gesagt, und viele sprachen mich persönlich an und haben mich für diesen Schritt gelobt. In meinem Team kam es zu einem drastischen Motivationsschub: Trotz der deutlich höheren Umsatzziele haben 100% der Mitarbeiter nach einem halben Jahr noch saftige Boni erarbeitet – die Auslastung hat sich dabei erstaunlicherweise nicht verändert! Aktuell bekommen wir zudem viele Neukunden. Kunden, die zuvor bei günstigeren Kollegen waren und nun zu uns in den deutlich teureren Salon kommen. Meine Frage nach dem WARUM beantworten mir die meisten mit der Aussage: „Die sind nun teurer geworden!“ „Ok – und dann kommst Du nun zu uns, obwohl wir noch teurer sind?“, frage ich dann und erhalte fast immer diese oder eine ähnliche Antwort: „Ja, aber wenn ich schon mehr zahlen soll, dann will ich lieber auch die beste Qualität!“
Vergleichbare Erfahrungen hören wir auch aus anderen Branchen! Restaurants mit hoher Qualität, perfektem Service, geiler Beratung und echtem, selbstgekochten Essen, sind am Rande jeglicher Auslastung und oft über Wochen ausgebucht. Hochwertige Bekleidung boomt, und die Billigkisten mit fast Fashion und niederer Qualität schwächeln zusehends. Unser hochwertiger Backshop mit traditioneller Backkunst ohne chemische Backmittel und nur 4 bis 5 Brotsorten ist täglich um 14 Uhr ausverkauft – alle anderen Bäcker werden von den Discountern in den Ruin getrieben.
Last but not least
Ich glaube, wer nun verstanden hat, was ich hier ausdrücken möchte – der sollte sich einmal intensiv mit seinem Unternehmen, das er führt oder in dem er beschäftigt ist, auseinandersetzen. In unserer wunderbaren Branche gibt es durchaus die erfolgreichen Wege! Ich betreue mit meiner Geschäftspartnerin Martina Jovanovic viele Kollegen, die kontinuierlich an ihren Konzepten gearbeitet haben und die als Friseurunternehmer Gewinne von weit über 100.000€ erreichen und Stundenlöhne von über 30€ realisieren können. Das geht aber in aller Regel nicht mit Standard; da muss alles zusammenpassen und ein Unternehmen entwickelt und aufgebaut werden! Wer sich immer noch nicht auf den Weg gemacht hat, dem muss man klar sagen: die Gefahr, dass es jetzt schon zu spät ist, ist dramatisch hoch!
Welche Aufgaben warten auf Euch?
- Marketing – auf Wertigkeit, Qualität, Wertschätzung – eben auf High Performance aufbauen
- Verkauf – Beratungskompetenz und Qualität auf allerhöchstes Niveau bringen
- Lukrativität – nicht nur erreichen, sondern lukratives Denken lernen und das Geschäft auf lukrative Dienstleistungen spezialisieren
- Education – nur top ausgebildete Mitarbeiter können zu Top-Friseuren mit Top-Gehältern heranwachsen
- Kalkulation – nur sauber und realistisch kalkulierte Preise und Lohnfaktoren können am Ende auch zu realistischen und sauberen Ergebnissen, Löhnen und Umsätzen führen
- Service – Kunden, die hohe Preise zahlen, sind gewohnt, einen besonderen Service und ein entsprechendes Drumherum zu erhalten
- Ausstattung und Salonoptik – nicht der megateuer eingerichtete Salon muss es sein, aber saubere klare und aufgeräumte Optik ist hier der Schlüssel
- Bezahlung – Kunden, die bereit sind, angemessene Preise für höchste Qualität zu akzeptieren, erwarten, dass ihre Top-Friseure auch mit entsprechenden Gehältern ausgestattet sind
- Produktqualität – anspruchsvolle Kunden legen Wert auf Nachhaltigkeit und wertige Inhaltsstoffe. Auch hier sollten wir uns vom industriellen Standard „billige Inhaltsstoffe zu hohen Preisen“ verabschieden.
Der Markt regelt sich selbst! „Normale“ Friseure von einst werden zu einer aussterbenden Spezies. Die Lager entscheiden sich in „billig und schlecht“ und „anspruchsvoll in Qualität und Preis. Ein Dazwischen wird es aus meiner Sicht nicht mehr geben. Also, entscheide Du: 5€ oder 500€? Am Scheideweg der Evolution ist es an Dir, zu welcher neuen Spezies Du gehören möchtest! Den Weg musst Du nur möglichst bald gehen – Hilfe für diese Entwicklung wirst Du am Markt finden.
Sehr guter Artikel , herzlichen Dank,,, Kompliment ,,,
Das ist der richtige Weg !
Den mutigen gehört die Zukunft!
Ich habe bei meinen Coaching Partner die identische Erfahrung gemacht .
Die richtige Reihenfolge ist aber wichtig, erst Qualität hoch und dann Preise hoch.
Hallo College !
Habe gerade Ihren Artikel gelesen,Sie sprechen mir aus dem Herzen.
Mein Name ist Andreas Bentz !
Bin auch ein Frisuer aus Berufung ( aus Liebe und Leiderschaft).
Habe eine sehr lange Zeit den wunderschoenen Beruf ( Handwerk,Kunst) , gelebt und ausgefuert auf hoegstem Nivau
Ich derhte noch immer privat auf und gebe ein stell dich ein. Liebe es Menschen den typgerechten persoenlichen Ausdruck zu verleihen !
Ich Gruesse Sie und bleiben Sie noch lange am Haar (Ball)!
Andreas!