Rein in die Schulen: „Wir sollten den Nachwuchs an der Basis abholen!“
„Man erntet, was man sät!“ Nur ein Spruch? Nicht für Janette Budtke aus Hohen Neuendorf. Mit einem Aufruf auf Facebook sucht die begeisterte Friseurin leidenschaftliche Kolleg*innen als Mitstreiter, um im Rahmen von Schul-AGs die Begeisterung von Jugendlichen für den Friseurberuf zu wecken. Ihr Credo: Die Horizonte der Schüler und Schülerinnen erweitern und Zukunft schon heute formen. Warum diese Idee ein Gamechanger in der Nachwuchsgewinnung sein könnte, erzählt sie FMFM im Interview.
Facebook – bisweilen das Schwarze Brett für gute Ideen, die definitiv Gehör finden sollten! Wie der Aufruf von Friseurin Janette Budtke. Sie engagiert sich dafür, in der Schule ihrer Tochter eine Friseur-AG anzubieten, die Schülern und Schülerinnen die vielen Facetten des Handwerks zeigt. Dafür sucht sie noch Mitstreiter oder auch Nachahmer, die das Ganze bundesweit etablieren. Warum diese Aktion ein Wendepunkt für den Nachwuchsschwund im Friseurhandwerk darstellen könnte, erzählt sie uns nachfolgend im Interview.
Wir haben mit dieser AG die Chance, unsere Leidenschaft für den Beruf weiterzugeben.
Janette Budtke (ganz rts. im Bild) konnte bereits fünf Mitstreiter für ihr AG-Projekt gewinnen. Wer hat noch Lust mitzumachen?
Wie kamst Du auf die Idee Deines Aufrufs?
Meine Tochter geht auf diese Schule und leider fiel kürzlich der Lehrer des Werkunterrichtes aus. Nun gab es auch keinen Vertretungslehrer und so reifte in mir Idee, dass ein Arbeitskreis so einen Ausfall abfedern könnte. Hätte man also mehrere Leute, die abwechselnd den Unterricht leiten oder bei Bedarf einspringen würden, müssten die Schüler auf so eine tolle Praxisarbeit nicht verzichten. Hinzu kam, dass ich im Rahmen des Schulprojektes „Zukunftstag“ eine talentierte Schülerin bei mir im Salon hatte. So war dann die Idee geboren, eine Friseur-AG anzubieten. Hier kann man den Schülern und Schülerinnen nicht nur praktisches Know-how vermitteln – was über ein „wenig Haare machen“ hinausgeht – sondern auch theoretisches Wissen aufzeigen, wo Themenbereiche der Chemie, Physik und Mathematik mit angeschnitten werden. Also habe ich noch am selben Tag mit der Schule telefoniert – und die waren begeistert!
Wie ist die Reaktion bisher von Friseurkollegen*Innen aus der Branche?
Bis jetzt waren die Reaktionen hier in Oberhavel sehr unterschiedlich. Einige Kollegen haben sofort ihre Mitarbeit zugesagt, andere sind da eher zögerlich. Rechnet man sich das kurz durch, handelt es sich um 40 Tage im gesamten Schuljahr und nur 90 Minuten an einen Tag die Woche. Wenn sich allein 10 Friseure melden würden, dann würde jeder Friseur nur vier Tage seiner Zeit opfern, dem Nachwuchs etwas über das Handwerk beizubringen. Es wäre definitiv eine Win-win-Situation für beide Seiten. Wir haben mit dieser AG die Chance, die Jugendlichen früh über das Handwerk aufzuklären, Stereotypen abzubauen und unsere Leidenschaft für den Beruf weiterzugeben. Selbst wenn keiner der AG Teilnehmer Friseur*in wird, so haben wir doch verständnisvolle Kunden herangezogen. Jede/r Friseur*in könnte ihr Steckenpferd unterrichten; so lernen die Kinder alle Facetten des Berufes kennen. Ich werde auf jeden Fall versuchen, noch die Innung bzw. die Lehrbetriebe mit ins Boot zu holen. Sie haben hier die Möglichkeit, uns als Betrieb zu präsentieren. Natürlich gab es aber auch negative Kommentare. „Du promovierst Schwarzarbeiter“ war ein Kommentar, den man sich hätte sparen können. Das Wissen, was wir uns als Friseur in langer Arbeit angeeignet haben, werden wir nicht in 90 Minuten weitergeben können. Was wir aber vermitteln können, ist unsere Geschichte zu erzählen und überzeugend darzustellen, warum wir uns genau dieses Handwerk ausgesucht haben!
Wie hoch ist denn die Nachfrage bei den Schülern und Schülerinnen? Besteht Interesse?
Bei meiner Tochter in der Klasse haben sich schon einige (vor-)angemeldet. Insgesamt richtet sich das Angebot an die Schüler und Schülerinnen der siebten, achten, neunten und elften Klasse. Was die Größe der Gruppen oder die Anzahl innerhalb der Gruppe angeht, kann ich noch nicht viel zu sagen. Das müssen wir abwarten.
Wäre das ein Projekt, welches man bundesweit auf alle Schulen ausweiten sollte?
Definitiv! Wir sollten den Nachwuchs an der Basis – also bereits in der Schule – abholen, um die Attraktivität des Friseurhandwerks zu steigern. In diesem Alter sind die Jugendlichen noch neugierig, wissensdurstig und möchten sich gerne ausprobieren. Gerade weil es kein Muss ist, sondern mit Spaß an der Freude gearbeitet wird. Da könnte man sich die Millionen an PR seitens der Handwerkskammer sparen. Es ist doch eigentlich so simpel: Salons, die eine solche AG gründen wollen, müssen nur zuerst mit der Schule telefonieren und dann andere Salons suchen, die auch mitmachen wollen. Je mehr, umso besser!