Salonchefs sind auch nur Menschen! Survival-Tipps in Krisenzeiten
Gerade in den letzten Monaten geraten Salonunternehmer-/innen an ihr Belastungslimit! Denn besonders in Krisenzeiten müssen sie als unverwundbarer Fels in der Brandung versuchen, zwischen eigenen Existenzängsten, ungeduldigen und Maske verweigernden Kunden vor allem die Mitarbeiter bei Laune zu halten. Wen wundert’s, dass die Unverwundbarkeit dabei nicht unendlich strapazierfähig bleibt!
Andrea Wassner aus Stuttgart ist Business-Coach mit dem Schwerpunkt Individuelle Beratung und Coaching von Führungskräften sowie der Begleitung von Teams. Wir haben sie gefragt, wie Salonunternehmer/-innen den Corona-Spagat aus Existenzängsten, Mitarbeitermotivation und Kundenpflege souverän wuppen können.
Andrea, wie hast du deinen ersten Friseurbesuch nach dem Lockdown empfunden? Andrea Wassner: Der Besuch war für mich mit sehr unterschiedlichen Emotionen verbunden. Viel Freude und Vorfreude, weil ein Friseurbesuch überhaupt wieder möglich war, ich sehr gerne zum Friseur gehe und sich die Haare zu Hause zu tönen/färben für mich keine Alternative darstellt. Ich war aber auch etwas ängstlich, wie wohl die Hygieneregeln umgesetzt werden und ob das vielleicht auch die „positiven Vibes“ eines Friseurbesuchs für mich beeinträchtigt. Zudem schaute ich natürlich auch mit „professioneller Brille“ und war daran interessiert, wie der Chef und das Team mit dieser Herausforderung umgehen und ob der „Teamspirit“ nach wie vor zu erkennen ist, was natürlich wichtig für ein gutes Gefühl der Kunden ist. Ich habe mich – den Umständen entsprechend – wohl gefühlt.
Mal ehrlich, gehst du jetzt weniger häufig zum Friseur? A.W.: Nein, für mich persönlich hat sich nichts geändert. Ich gehe genau gleich oft zum Friseur wie vorher. Die Maske und das Hände desinfizieren gehören jetzt einfach zum „neuen Normal“, auch wenn es Schöneres gibt.
Besser durch die Krise mit innerer Arbeit
Salonchefs sind derzeit extremen Belastungen ausgesetzt. Sie haben Existenzängste und es oftmals mit nörgelnden Kunden und erschöpften Mitarbeitern zu tun. Was rätst du Führungskräften in Sachen „Selfcare“? A.W.: Selfcare ist ein schönes Wort und trifft die Sache ganz richtig. Es geht also zunächst einmal darum, was ich selbst für mich und „in mir“ tun kann, um mit diesen Herausforderungen gut umzugehen. Das chinesische Wort KRISE setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen. Das eine Zeichen bedeutet Gefahr, das andere Chance. Also „gefährliche Chance“. Ich finde, das zeigt ganz eindrücklich, welchen unterschiedlichen Blick wir auf Krisen haben können. Menschen mit einer hohen Resilienz (Widerstandsfähigkeit) haben die Überzeugung, dass sie ihre Probleme lösen können. Sie konzentrieren sich mehr auf die Lösung und die Chance in der Krise, als auf das Problem selbst und die Gefahr. Das ist manchmal einfacher gesagt als getan. Aber Resilienz und den besseren Umgang mit Krisen kann man mit „innerer Arbeit“ und der Beschäftigung mit sich selbst auch lernen und trainieren.
Wie denn? A.W.: Hilfreich sind dazu kurze Fragen, die man sich selbst stellt, um aus der vermeintlichen „Opferrolle“ herauszukommen. Dazu gehört, den Blick auf die Dinge zu lenken, die schon gut laufen und sich in eine positive Stimmung versetzen. Aber auch Erinnerungen an schwierige, bereits gemeisterte Herausforderungen sind hier sehr hilfreich und stärken das Selbstvertrauen: Wie genau habe ich das damals geschafft? Was hat mir Kraft gegeben? Was auch sehr hilfreich sein kann, ist die aktive Suche nach „gleichgesinnten“ Salonchefs für einen regelmäßigen Austausch, beispielsweise in den sozialen Netzwerken.
Am schwierigsten ist jedoch die Arbeit an einer optimistischen Haltung: Wie schaffe ich zu akzeptieren, was ich nicht verändern kann? Was kann ich aus der Situation lernen? Im Coaching und der individuellen Beratung können wir natürlich viel ausführlicher auf die individuellen Anliegen eingehen.
Mitarbeiter am eigenen Gefühlsleben teilhaben lassen
Wie können Salonchefs ihren Mitarbeitern Zuversicht und Motivation vermitteln, wenn sie selbst erschöpft sind und Angst vor der Zukunft haben? A.W: Dieses Dilemma bewegt viele meiner Coaching-Kunden. Hier sind die Salonchefs in ihrer Rolle als Führungskräfte gefragt. Um Zuversicht und Klarheit vermitteln zu können, muss ich zunächst eine eigene innere Balance und positive Haltung finden. Als Salonchef bin ich Vorbild für meine Mitarbeiter – auch beim Umgang mit der Krise und ihren Auswirkungen. Parallel dazu ist der wichtigste Schlüssel in dieser Situation die Kommunikation, und zwar Einzelgespräche mit den Mitarbeitern, Besprechungen mit dem gesamten Team, aber auch mit externen Beratern oder Coaches – nach dem Motto „Reden hilft“. Im Team kann ich mich austauschen über die derzeitige Situation, Ängste und Sorgen, über Erfolgserlebnisse, über schwierige Kunden und den Umgang damit – sprich: ich kann als Team auch resilienter werden und mich gemeinsam entwickeln. Als Mitarbeiter/in erlebe ich mich dadurch als ernstgenommen, zugehörig und wirksam. Das motiviert ungemein.
Weiter ist es als Salonchef auch wichtig, sich auf die Stärken der Mitarbeiter zu fokussieren. Es geht darum, die Stärken aller Beteiligten zu aktivieren und wirksam einzusetzen. Das führt zu positivem Denken und ist ein Weg aus der Spirale negativer Gefühle. Auch Chefs sind nur Menschen und daher ist es wichtig, authentisch, also „echt“ zu bleiben und damit auch glaubwürdig. Die MitarbeiterInnen bekommen schon sehr genau mit, wie es dem Chef geht, insbesondere, wenn man in einem Salon eng zusammenarbeitet. Es geht also nicht darum, einen auf „superoptimistisch, happy und zufrieden“ zu machen, sprich: sich zu verstellen, sondern die Mitarbeiter in angemessener Weise am eigenen Gefühlsleben teilhaben zu lassen. Dass sich der Chef auch Sorgen über die derzeitige Lage macht und sich nicht ungemein über schwierige Kunden freut, ist klar. Wenn ich das in Besprechungen gut vermitteln kann (also: „ich mache mir auch Sorgen über die Zukunft, kann nicht in die Glaskugel schauen, wie es weiter geht, aber ich möchte mit euch gemeinsam überlegen, was wir tun können, wer welche Ideen hat…“) hilft das allen.
Wir hören immer wieder, dass sich das Kundenverhalten seit der Krise extrem verändert hat. Sie nörgeln, schimpfen und drohen teilweise, den Friseur zu wechseln, wenn sie nicht umgehend einen Termin bekommen oder weil die Preise erhöht wurden. Wie geht man als Salonleiter mit diesen Kunden um, ohne zu explodieren und dabei Gefahr zu laufen, den Kunden tatsächlich zu verlieren? A.W.: Negative Emotionen wie Wut und Ärger lösen in uns oft Automatismen, also bestimmte, ebenfalls negative Reaktionsmuster aus. Sie hindern uns am klaren Denken und führen zu inneren Blockaden. Nicht selten sagen und tun wir dann etwas (wie z.B. zu explodieren), was uns nicht weiterbringt und uns später leidtut. Den Auslösern für diese negative Emotionen können wir uns häufig nicht entziehen. Die nörgelnden und schimpfenden Kunden gibt es einfach. Der allererste Schritt in diesen vermeintlichen „Automatismus“ einzugreifen, ist es, die Emotion bewusst innerlich wahrzunehmen, wenn sie entsteht. Unser Körper gibt uns dazu gute Hinweise (schwitzen, schlucken, enger Hals, Herzklopfen – das ist bei jedem etwas anders). Innerlich kann ich es dann auch benennen: „ich fühle mich gerade echt ärgerlich/wütend…“. Das nimmt den negativen Gefühlen schnell die Kraft, weil sich das Denken einschaltet. Um mich weiter zu beruhigen, helfen ein paar tiefe und bewusste Atemzüge in den Bauch. Das Ganze kann in Sekundenschnelle geschehen.
Anschließend fällt es uns leichter, angemessene und vernünftige Antworten und Reaktionen auf die drohenden und meckernden Kunden zu finden und sind nicht durch unsere Wut oder unseren Ärger bestimmt. Das hört sich natürlich einfacher an als es tatsächlich ist und bedarf viel Übung. Aber ich kann mit kleinen Experimenten anfangen, wie z.B. die Aufmerksamkeit auf meine Emotionen zu lenken und diese immer wieder zu benennen (jetzt bin ich traurig, froh, glücklich, genervt, ängstlich…)
Wichtig ist zu erkennen, dass wir selbst entscheiden können über den Umgang mit unseren Gefühlen, unser Denken und Handeln. Und damit auch über die Reaktionen auf unser Gegenüber.
Andrea, vielen Dank für diese wertvollen Tipps!
Kontakt: Andrea Wassner Telefon: 0711 620 66798 Mobil: 0160 701 45 45 [email protected]