Schweizer Modell: Lockdown ja. Aber Friseursalons bleiben geöffnet!
Es geht also doch? Während hierzulande die Friseure dank verlängertem Lockdown um ihre Existenz fürchten, sind die Salons in der Schweiz geöffnet. Bemerkenswert: Sie dürften auch offen bleiben, sollte sich die Corona-Lage verschlechtern. Das hat der dortige Bundesrat am 13. Januar 2021 beschlossen. Ist diese Entscheidung nun richtig oder falsch?
Laut dem Bundesamt für Gesundheit hat die Schweiz den Höhepunkt der zweiten Welle überschritten, dennoch lassen die neuesten Zahlen keine Feierstimmung aufkommen: 4703 Neuinfektionen an einem Tag. Grund genug für die Schweiz, die COVID-Maßnahmen nochmals zu verschärfen. Mit einer Ausnahme: Coiffeure sind von dem harten Lockdown nicht betroffen! Sie können weiterhin ihrem Verdienst nachgehen und müssen nur zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr und am Sonntag geschlossen bleiben. Kann das wirklich funktionieren? Coiffeur und FMFM-Artist Jens Engelhardt über seinen Salonalltag in Corona-Zeiten.
„Macht die Friseursalons auf!“
©Ronny Barthel
„Die Corona-Pandemie nagt zunehmend an der Moral der Menschen in der Schweiz. Da ist es unabdingbar, dass sich die Leute in ihrer Haut wohlfühlen – und dazu gehört nun mal auch ein schönes und gepflegtes Aussehen. Es ist wichtig, dass die Politik versteht, dass Friseure dazu beitragen, die Moral der Leute hochzuhalten. Ein nicht zu unterschätzender Punkt bei einer solchen Krise! Zudem ist der Friseur epidemiologisch auch nicht in dem Umfang ausschlaggebend. Schließlich geht man ja nicht zwei bis dreimal am Tag zum Friseur, fasst dort alles an (Shampoos, Regale, etc.) und geht dann weiter zum nächsten Salon, um dort das Gleiche zu tun. Die hohen Sicherheitsvorkehrungen im Salon erlauben es, ein wenig Normalität im Alltag zu haben. Daher ist meine Meinung ganz klar: Macht die Friseursalons auf! Ein Appell, den ich vor allem an die Politik in Deutschland und Österreich richte. In der Schweiz geht es ja auch.
Im Moment haben wir normalen Betrieb, d.h. wir haben keine signifikanten Besucherrückgänge zu verzeichnen. Das ist selbstverständlich sehr erfreulich, denn das heißt, dass die Kunden keine Angst haben herzukommen. Sie haben Vertrauen in uns, dass wir alles gut im Griff haben. Was wir natürlich auch haben. Bis jetzt haben wir keine an Corona erkrankten Kunden gehabt, die sich bei uns im Salon angesteckt hätten. Unser Sicherheitskonzept beinhaltet nicht nur die vom Coiffeurverband «Coiffeur Suisse» schweizweit herausgegebene Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Sicherheitsabstand sowie fortwährende Desinfektion, sondern auch CO2-Messgeräte, um die Frischluft im Salon zu messen. Dadurch wissen wir, wann es Zeit zum Lüften ist, ohne dass die Kunden und Mitarbeiter im Dauerzug sitzen. Zudem haben wir in unserem Barber-Corner, wo die Kunden bei der Bartpflege selbstverständlich keine Masken tragen können, ein Abluftsystem, das die Aerosole ansaugt.
Die Hilfen vom Staat sind verständlicherweise rückläufig, da wir ja arbeiten können. Trotzdem waren die Gelder vom Staat in kürzester Zeit – ein bis zwei Monate – verfügbar. Alle haben Notkredite erhalten, d.h. man konnte sich 10 % vom Jahresumsatz als Notkredit sichern, zinsfrei und mit Bürgschaft vom Staat. Einige haben davon Gebrauch gemacht, um nicht frühzeitig Insolvenz anzumelden. Ob das jetzt gut ist oder nicht, werden wir langfristig sehen. Sollte es zu einem zweiten Lockdown kommen, erhöht sich natürlich die Chance, dass wir erheblich mehr Konkurse und Pleiten sehen werden. Ich hoffe, dass wir gemeinsam dem entgegenstehen können und die Lage sich schnell wieder normalisiert.“