„Selbstfürsorge ist in unserem Beruf mehr als nur Pflicht“
Friseure lieben es, sich um andere zu kümmern! Aber wie sieht es in Sachen Selbstfürsorge aus? Saloninhaber und FMFM Artist Ralph-Joachim Hoffmann über emotionale und körperliche Strapazen des Berufs und wie das Aufladen der eigenen Batterien wieder gelingen kann.
Wer mich kennt, weiß: Friseur zu sein ist für mich kein Beruf, sondern meine Berufung. Es ist die pure Leidenschaft, die mich antreibt – das kreative Schaffen, die Kunst, Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, das in ihren Augen widerstrahlt, weil sie sich wieder wohl in ihrer Haut fühlen. Und es sind die unzähligen Geschichten, die ich jeden Tag höre, die Verbindungen, die entstehen, und die Momente, in denen sich das Leben für einen Augenblick still anfühlt. Doch Friseur zu sein, bedeutet auch, Tag für Tag für andere da zu sein, zuzuhören, zu verschönern, und sich manchmal selbst dabei zu vergessen. Diese Hingabe ist mein Feuer, das in mir brennt. Aber hinter all dem Glanz verbirgt sich eine Seite, die viele nicht sehen: die immense emotionale und körperliche Belastung, die mit diesem Beruf einhergeht.
Der enge Kontakt mit den Gästen, das ständige Stehen, die hektische Atmosphäre – all das fordert nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele. Inmitten dieses Trubels ist es lebenswichtig, sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren und achtsam mit den eigenen Ressourcen umzugehen.
Meine persönliche Reise zu dieser Erkenntnis begann vor einigen Jahren, als eine Krebserkrankung mein Leben aus den Fugen riss. Diese schwere Zeit zwang mich, innezuhalten, mich zu besinnen und mein Leben neu zu ordnen. Ich musste lernen, wie wertvoll es ist, auf mich selbst zu achten, mein Leben bewusster zu gestalten und nicht einfach nur zu funktionieren. Ich habe mich neu erfunden, bin in einen kleinen (aber feinen) Salon umgezogen und arbeite mit weniger Personal, und habe so mehr Raum für mich selbst gewonnen.
Warum Achtsamkeit im Friseurberuf so unverzichtbar ist
Friseure sind oft die stillen Therapeuten des Alltags. Die Menschen, die zu uns kommen, suchen nicht nur eine neue Frisur, sondern auch ein offenes Ohr, einen Moment der Entlastung. Diese emotionale Last kann erdrückend werden, wenn man nicht lernt, auf sich selbst zu achten. Achtsamkeit hilft uns, eine gesunde Distanz zu wahren und nicht von den Sorgen anderer überrollt zu werden.
Die Bedeutung der Selbstfürsorge
Achtsamkeit bedeutet, sich selbst den Raum zu geben, den man braucht, um zu atmen, zu regenerieren und die eigenen Batterien aufzuladen. Es bedeutet, bewusst Pausen einzulegen, tief durchzuatmen und sich selbst zu erlauben, auch mal „Nein“ zu sagen. Diese Momente der Selbstfürsorge sind wie Anker, die uns stabilisieren und davor bewahren, in den Strudeln des Alltags unterzugehen.
Grenzen setzen – auch in den sozialen Medien
In einer Welt, in der negative Nachrichten omnipräsent sind, ist es für mich wichtiger denn je, klare Grenzen zu ziehen. Ich habe gelernt, nicht in jedes Thema einzutauchen, nicht jede Herausforderung zu meiner eigenen zu machen. Das ist keine Flucht, sondern ein bewusster Schutz meiner eigenen Seele, um das zu wahren, was wirklich zählt.
Körperliche Achtsamkeit
Unser Beruf fordert unseren Körper Tag für Tag. Achtsamkeit bedeutet auch, auf die Signale unseres Körpers zu hören – durch regelmäßige Bewegung, gezielte Entspannungsübungen oder einfach durch ergonomisches Arbeiten. Wer achtsam mit seinem Körper umgeht, bleibt länger gesund, glücklich und in der Lage, das Beste für seine Gäste zu geben.
Emotionale Balance finden
Es ist essenziell, eine emotionale Ausgeglichenheit zu finden, die uns vor dem Übermaß an fremden Gefühlen schützt. Achtsamkeit hilft uns, im Hier und Jetzt zu bleiben, den Moment bewusst zu erleben, ohne uns in den Emotionen anderer zu verlieren. Manchmal genügt ein tiefes Durchatmen oder ein Perspektivwechsel, um wieder Boden unter den Füßen zu spüren.
Achtsamkeit als Saloninhaber: Selbstfürsorge und Verantwortung für das Team
Als Saloninhaber trage ich nicht nur die Verantwortung für mich selbst, sondern auch für mein Team. Wenn ich achtsam mit mir umgehe, schaffe ich eine Umgebung, in der auch meine Mitarbeitenden ihre beste Leistung erbringen können, ohne dabei auszubrennen.
Vorbildfunktion
Ich bin das Vorbild für mein Team. Indem ich achtsam mit meiner eigenen Gesundheit und meinen Ressourcen umgehe, motiviere ich auch meine Mitarbeitenden, dasselbe zu tun. Das schafft nicht nur eine positive Arbeitsatmosphäre, sondern auch ein Gefühl von Wertschätzung und Respekt.
Mitarbeitende unterstützen und fördern
Achtsamkeit bedeutet auch, die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden wahrzunehmen und sie aktiv zu unterstützen. Regelmäßige Gespräche, Pausenregelungen und ein offenes Ohr sind entscheidend, um ein gesundes und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Gesunde Arbeitskultur etablieren
Eine achtsame Führung fördert eine Arbeitskultur, die auf Respekt, Wertschätzung und gegenseitiger Unterstützung basiert. Eine solche Kultur führt zu weniger Stress, mehr Zufriedenheit und besseren Ergebnissen – für das Team und die Gäste gleichermaßen.
Meine Reise zur Achtsamkeit
Meine Krebserkrankung hat mir die Zerbrechlichkeit des Lebens vor Augen geführt. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, bewusst zu leben, mir selbst Raum zu geben und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Heute nehme ich mir regelmäßig Zeit für mich, ob in der Natur (am liebsten am Wasser), bei einem Kinobesuch oder einer inspirierenden Ausstellung (gerade erst war ich für einen Tag in München und habe die atemberaubende Haute Couture-Mode von Viktor & Rolf in einer Ausstellung genossen). Diese „Me-Time“ ist zu einem unverzichtbaren Bestandteil meines Lebens geworden.
Früher habe ich oft einfach nur funktioniert, mich von den äußeren Umständen treiben lassen. Heute lebe ich bewusster, nehme mir Pausen, setze klare Grenzen und achte darauf, dass ich meine Energie nicht verschwende. Das gibt mir die Kraft, auf die Menschen um mich herum einzugehen, ohne mich selbst zu verlieren. Achtsamkeit hat mein Leben bereichert, es bewusster, intensiver und freudvoller gemacht – beruflich und privat.
Fazit: Achtsamkeit als Schlüssel zu einem erfüllten Berufsleben
Für Friseure ist Achtsamkeit kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um in einem herausfordernden Beruf gesund und glücklich zu bleiben. Wer achtsam mit sich selbst umgeht, kann seinen Gästen mit mehr Freude und Energie begegnen und sowohl beruflich als auch persönlich wachsen. Ich hoffe, meine Erfahrungen ermutigen Euch, achtsam mit Euch selbst umzugehen und die Bedeutung von Selbstfürsorge im Alltag zu erkennen. Achtsamkeit ist der Schlüssel zu einem erfüllten und gesunden Leben – im Beruf und darüber hinaus.
Herzlichst, Euer Ralph-Joachim Hoffmann