Stuhlmiete – ein Weg voller Stolpersteine!
In Zeiten knapper Kassen verspricht die Stuhlmiete vielen Friseuren die perfekte Lösung zu sein – für Mieter und Vermieter. Oder etwa nicht?! Der Kölner Friseurunternehmer Nils Oliver Ferrand berichtet über ein Experiment mit einem Geschäftsmodell, das nur auf den ersten Blick simpel ist – und doch gewisse Reize haben könnte. Hier ist der Erfahrungsbericht eines kritischen Geistes.
Momentan gibt es immer öfter Artikel über die Stuhlmiete. Selbst Kollegen wie ich, die unlängst noch nicht einmal darüber nachgedacht haben, ziehen es immer häufiger in Erwägung, ihren Salon mit einem Stuhlmieter oder einer Stuhlmieterin zu ‚sharen‘. Grund genug, mich darüber aufzuschlauen, was Stuhlmiete eigentlich genau ist und ob es auch etwas für mich wäre. Hier sind ein paar Fakten in Kürze: Aus Mietersicht bedeutet Stuhlmiete, dass du einen „Bedienstuhl“ bei einem bereits bestehenden und voll ausgestatteten Betrieb „mietest“, um von dort aus selbstständig deine Dienstleistungen anzubieten. Meist handelt es sich um Friseur- oder Beautybetriebe. Natürlich musst du auch bei einer Stuhlmiete beachten, dass du in die Handwerkskammer eingetragen sein musst. Das Gewerbe muss angemeldet werden und gewisse Versicherungen wie Betriebshaftpflicht abgeschlossen werden.
Aus Vermietersicht sieht es so aus: Du vermietest einen Teil deines eigenen Salons an eine andere Person. Diese Person darf dann einen „Stuhl mieten“ und natürlich Dinge wie das Waschbecken mitbenutzen. Welche Geräte und ob Produkte durch die mietende Person verwendet werden dürfen, sollte man im Vorfeld klären. Das gilt übrigens für so Vieles, denn Stuhlmiete ist nur auf den allerersten Blick eine total unkomplizierte Zusammenarbeit.
Eine Menge Fragen klären
Vertrag? Kommt von „vertragen“. Diesen Satz haben mir schon meine Großeltern beigebracht, und doch ist er noch lange nicht aus der Zeit gefallen. Im Internet gibt es bereits einige Beispielverträge, die man individuell anpassen kann. Auch ist der Gang zu einem Anwalt denkbar, sofern man sich nicht sicher fühlt. Dort sollten dann unbedingt kleinste Details geklärt werden, was genau die Stuhlmiete enthält. Wird nur ein Stuhl vermietet? Gibt es spezielle Regelungen bei Laufkundschaft? Gibt es eine feste Miete oder eine Umsatzbeteiligung? An welchen Kosten soll der Mieter/Vermieter beteiligt sein? Bildet man eine „Produkteinkaufsgemeinschaft“? Die Rahmenbedingungen müssen klar geordnet sein, da ansonsten die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit besteht.
Lohnt sich Stuhlmiete als Vermieter für mich – und passt das Konzept überhaupt zu mir? habe ich mich also gefragt und war tatsächlich unschlüssig. Dann kam ein Zufall ins Spiel, denn inzwischen habe ich einen Stuhlmieter in meinem Salon. Allerdings kam der Anlass dazu spontan. Denn bei dem Stuhlmieter handelt es sich um einen guten Freund von mir, inklusive seiner Assistentin. Da dieser Friseur und ich seit Jahren schon sehr gut miteinander befreundet sind, haben wir schnell eine Einigung gefunden. Er hatte das Problem, dass er ein eigenes Ladenlokal sucht, aber – wie so oft – nichts Passendes findet. Köln, Großstadt halt. Daher war schon von Beginn an klar, dass es für mich nur eine zeitlich begrenzte und vielleicht auch einmalige Sache sein wird. Schließlich ging es primär darum, ihm zu helfen. Zufälligerweise wurde im selben Monat, in dem er sich in meinen Salon eingemietet hat, die Miete für mein Ladenlokal (Indexmiete) erhöht. Durch seine Anteile habe ich die Erhöhung meiner Ladenmiete nicht gespürt. Das ist für mich natürlich ein Pluspunkt. Auch kommen wir uns mit unseren Kunden nicht in die Quere, da der Mieter in dem Fall ein anderes Kundenklientel bedient.
Stolpersteine? Viele!
Zu Anfang gab es jedoch auch Schwierigkeiten, Herr über die neue Lage mit einem „Externen“ zu werden. Zum Beispiel wenn der Salon komplett ausgebucht ist und der Platz eng wird. Wohin mit den wartenden Kunden? Was passiert, wenn mehrere Mitarbeiter doppelt arbeiten oder im Verzug sind und dann am Waschbecken ihre Kunden ausspülen oder „parken“ wollen? Wir kennen es alle. Ich habe eigentlich einen großen Salon, aber da wird sich dann auch mal um den letzten Platz am Waschbecken gestritten. Meine Erfahrung: So etwas sollte von Anfang an klug und fair moderiert werden. Bestenfalls wird dem Stuhlmieter ein fester Stuhl zugewiesen. Die Preisstruktur des Mieters und des eigenen Salons sollte ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. In meinem Fall gebe ich mal ein Beispiel: In meinem Salon kostet ein Langhaarhaarschnitt 95 EUR. Wenn der Stuhlmieter für dieselbe Dienstleistung einen komplett anderen oder sogar weitaus günstigeren Preis verlangt, kann dies schnell zu Ärger führen. Natürlich kann man in einem Vertrag auch vereinbaren, dass Stammkunden unter den Unternehmen nicht getauscht werden. Das ist aber nur theoretisch – in der Praxis sieht es so aus, dass der Kunde das oft nicht trennen kann, sich ungerecht behandelt fühlt und am Ende den Salon komplett verlässt. Damit ist niemandem geholfen, und daher sollte man sich gut überlegen, wie man dieses Problem löst. Werbung und Marketing sind auch ein Thema, das vorher unbedingt geklärt werden sollte. Das fängt schon bei Google an, wo der Stuhlmieter sein Unternehmen bewerben möchte. Adressen müssen eingetragen und aktualisiert werden; man sollte sich im SEO nicht in die Quere kommen etc. Auch hier kann man Verträge so gestalten, dass diese sehr vermieterfreundlich sind, aber macht das dann auch wirklich Sinn für den Mieter?
Lösungen suchen & finden
Wie habe ich es umgesetzt? Wir haben uns für einen Vertrag entschieden, wo wir nach Tagen abrechnen. Sprich: Pro Tag, an dem mein Stuhlmieter in meinem Salon arbeitet, zahlt er einen festen Tagessatz in Höhe von 50 EUR. Egal, ob er nur 500 EUR oder 2.000 EUR Umsatz an dem Tag macht. Ich habe auch an eine Umsatzbeteiligung gedacht, jedoch diese Idee schnell verworfen, da mir diese Regelung zu aufwändig ist. Auch möchte ich mit der Buchführung des Mieters nichts zu tun haben. Ganz wichtig: Es müssen klare Rahmenbedingungen getroffen werden, was zum Beispiel die Sauberkeit angeht. Ich bin der Meinung, dass der Mieter mehr als nur seinen eigenen Stuhl, sondern ebenfalls alle Dinge sauber halten sollte, die gemeinschaftlich genutzt werden. Daher macht es Sinn, dass die Stuhlmieter bereits in den bestehenden Putzplan involviert werden, was die Reinigung von Mitarbeiter- sowie Kundentoiletten, Waschbecken, Mixecke, Aufenthaltsraum etc. angeht. Es kann schnell zu Ärger im Team führen, wenn sich jemand übervorteilt fühlt. Beim Produkteinkauf habe ich dem Mieter angeboten, seine Produkte über mich zu kaufen. Da ich auch im Internet meine Produkte vertreibe, gibt es für mich rechtlich hier kein Hindernis. Heißt: Der Mieter profitiert in dem Fall von meinen sehr guten Einkaufspreisen, die ich ihm ohne Aufschlag weiterreiche.
Fazit
Würde ich mich wieder dazu entschließen, einen Stuhl zu vermieten? Grundsätzlich ja, aber nur, wenn sich alle gut verstehen. Es kommt natürlich darauf an, wie die Rahmenbedingungen sind und wer der Stuhlmieter oder die Stuhlmieterin ist. Es muss schließlich für alle passen: Sowohl die mietende Person als auch die vermietende Person und deren Team müssen damit einverstanden sein. Es gibt eben schon einige Vorteile, die eine solche Stuhlmiete mit sich bringt: Die Raumkosten für Salons schnellen mittlerweile immer weiter in neue Höhen. Daher könnte es finanziell für beide Seiten sehr lukrativ sein und sich eine Win-Win-Situation einstellen, diese aufzuteilen. Die mietende Person hat nicht die ganzen Kosten am Bein, und auch die vermietende Person kann sich so über beständige Einnahmen freuen. Die Frage, die sich jetzt aber für mich stellt, ist, ob ich, nachdem mein Bekannter seinen eigenen Salon gefunden hat, wieder jemanden in meinen Salon untervermieten würde? Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir diese Frage nicht wirklich gestellt habe, bevor ich diesen Artikel verfasst habe. Als ich einen Vertrag mit meinem Bekannten geschlossen habe, stand für mich nur fest, dass ich ihm helfen wollte. Ich hatte zunächst nicht mal einen finanziellen Nutzen im Sinn. Es hört sich jetzt vermessen an, aber ich hatte und habe es finanziell nicht „nötig“. Wer mich kennt oder vermeintlich denkt, mich zu kennen, weiß, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme. Daher versuche ich das abschließende Fazit aus Vermietersicht in einem Satz unterzubringen: Wenn mein Salon nicht gut läuft, dann versuche ich zusätzliche Einnahmequellen zu generieren. In diesem Fall kann sich Stuhlmiete also als eine gute Alternative darstellen. Wenn mein Salon allerdings gut läuft, würde ich mir niemanden Externen in den Salon holen.
Seit einigen Wochen habe ich ein Stuhl in der Innenstadt gemietet. Dort könnte ich mir nie ein Ladenlokal leisten. Die Inhaberin wollte kürzer treten , daher arbeitet sie nur noch 3 Tage in der Woche und so habe ich die restlichen 2 Tage gemietet. Es ist für uns beide eine Win Win Situation. Das ich sauber mache incl Aufenthalt/ Küche und Laden ist für mich selbstverständlich. Ich habe vorher in einem sehr bekannten Laden gearbeitet, viele Kunden generiert und diese Kunden sind super glücklich ,dass ich in der Stadt etwas gefunden habe um sie weiter zu bedienen.