„Unser Handwerk können wir nur gemeinsam retten!“

FMFM -friseur Site-Montino
16. Oktober 2023In UncategorizedVon Nadine Schwarz
Thomas Montino macht sich stark fürs Friseurhandwerk – als Fachtrainer, in Innungen und auch auf Facebook und Instagram.
Thomas Montino macht sich stark fürs Friseurhandwerk – als Fachtrainer, in Innungen und auch auf Facebook und Instagram.
16. Oktober 2023In UncategorizedVon Nadine Schwarz

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Solo-Selbstständigkeit ist das Juckpulver der Friseurszene. „Aber egal ob Einzelkämpfer oder Großbetrieb – nur wenn alle zusammen ihren Beitrag für die Zukunft leisten, kann diese Branche überleben und wachsen“, ist Thomas Montino überzeugt. Der passionierte Friseur und Fachtrainer will sich mit engagierten Kollegen vernetzen sowie Ausbildungskonzepte und Nachwuchsförderung reformieren – für die gemeinsame Sache!

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Thomas, die Stimmung in den sozialen Netzwerken ist beim Thema Solo-Selbstständigkeit übergekocht. Was hat das in Dir ausgelöst?

Mich hat das Thema unglaublich aufgewühlt. Warum? Für mich ist der Friseurberuf der geilste Job der Welt. Ich mache ihn schon sehr lange und unsere Branche liegt mir sehr am Herzen. Es ist völlig in Ordnung, wenn man seinen Betrieb, aus welchen Gründen auch immer, verkleinert, vielleicht sogar alleine weiterarbeitet. Aber ich finde es unverantwortlich, wenn man nichts zum Branchenerhalt beiträgt.

Wie meinst Du das?

Im Corona-Lockdown hatte man den Eindruck, dass wir alle näher zusammenrücken und was bewegen – da waren wir für kurze Zeit die neuen Helden. Aber anstatt diese Chance zu nutzen und das Branchenimage auf ein neues Level zu heben, ging es dann los, dass jede*r nur sich selbst retten will und mit dem Finger auf andere zeigt. Unsere Branche hat unglaublich viele Probleme. Wir haben ein massives Nachwuchsproblem. Nur wenige wollen den Friseurberuf noch erlernen. Und für die, die lernen wollen, ist die Ausbildung oft nicht interessant genug gestaltet und das System stark renovierungsbedürftig. Und dann noch die Problematik, dass wir zu wenig Ausbilder*innen haben, vor allem gute. Und daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten – egal ob Solo-Selbstständige, Großunternehmer*innen oder Barber. Wir müssen unseren tollen Beruf angemessen zelebrieren, neue Konzepte entwickeln und junge Identifikationsfiguren erschaffen. Ich selbst bin ganz bewusst angestellter Friseur, weil ich meine ganze Energie in Haare, in Schulungen und den Nachwuchs stecken will.

Identifikationsfiguren?

Wir haben verschlafen, uns eine Generation ranzuziehen, die das Friseurhandwerk rockt und ihre Altersgenossen von unserem Beruf begeistert. Die sagt, Friseur sein ist geil, Friseur sein hat Zukunft und ich will Friseur sein.

Und mit welchem Konzept willst Du diese Generation gewinnen?

Der Friseurberuf ist mit all seinen Spezialisierungen enorm breit gefächert. Das Ausbildungswesen und auch die Betriebe können dem gar nicht mehr gerecht werden. Ich selbst könnte keinen Lehrling nach den geltenden Standards ausbilden – ganz einfach, weil ich absoluter Spezialist im Herrenfach bin. Also Kurzhaarschnitte und Bart traditionell in Handarbeit mit Kamm und Schere erarbeiten. Langhaar, Balayage und Hochstecken sind absolut nicht mein Ding. Da gibt es unzählige Leute, die das besser können. Ich kann also gar nicht das ganze Repertoire abdecken. Und so geht es vielen Top-Friseuren, denn die meisten sind tatsächlich nur in einem Teilbereich top, in dem man dennoch nie aufhören darf, sich weiterzuentwickeln. Und da sollten wir ansetzen: Netzwerke bilden und Konzepte entwickeln, wie wir gemeinsam den Nachwuchs ausbilden können.

Wie soll das umgesetzt werden? Wer stellt den Azubi an und wem gehört der Azubi, wenn er ausgelernt hat?

Es gibt viele, die andere machen lassen, sich gerne beschweren und wenige, die sich neu erfinden, auf Situationen einlassen und etwas bewegen wollen. Aber um unser Handwerk zu retten, müssen wir etwas ändern und zwar alle gemeinsam. Ich könnte mir ein Rotationssystem für die Azubis vorstellen, wo sich mehrere Salons einer Region für die Ausbildung zusammenschließen und die Azubis durchwechseln. Dabei ist jeder Betrieb für etwas anderes verantwortlich und der Azubi bekommt ein breitgefächertes Wissen. Ich möchte das ganze System einfach breiter aufstellen und auflockern. Schickt die Azubis zu Spezialisten anstatt in die Lehrwerkstätte, wo kaum Trends berücksichtigt werden. Vielleicht können wir mit genug schulungswilligen Friseuren auch deutschlandweit Academys gründen. Dazu müssen wir Netzwerke bilden und zu unseren Spezialgebieten stehen. Ich bin natürlich auch viel mit Innungen im Austausch. Und auch dort herrscht Umbruchstimmung mit vielen motivierten Leuten. Letztendlich müssen die ganzen Fachgremien und Verbände am System etwas ändern. Und der Azubi soll letztendlich selbst entscheiden, wo er hingeht. Ein Betrieb muss eben auch Perspektiven aufzeigen, wenn er Nachwuchs und Fachleute gewinnen will.

Ausbilden wird immer teurer und bei einem Rotationssystem generiert der Azubi weniger Umsatz für den Salon …

Stimmt, ausbilden wird immer teurer und ja, das ist ein Riesenproblem. Aber der Beruf wird natürlich auch immer anspruchsvoller und es ist gut, dass wir nicht mehr in Masse ausbilden und der Azubi irgendwelche Handlangeraufgaben übernimmt. Wir jammern seit Jahren, dass wir keine Fachleute haben und wenn wir daran nichts ändern, wird das auch nichts mehr. Klar verursachen dann solche Projekte zusätzliche Kosten, aber letztendlich sind das Investitionen in die Zukunft und wir sollten schauen, dass wir das über die Netzwerke im Rahmen halten.

Wie laufen diese Netzwerke denn bisher an?

Nach der hitzigen Debatte über die Solo-Selbstständigkeit habe ich mich aus verschiedenen Facebook-Gruppen zurückgezogen. Dafür habe ich mich in anderen Gruppen vernetzt und versuche Netzwerke aufzubauen mit ähnlich denkenden Menschen – sei es auf Social Media, in Innungen oder sonst wo. Die mit mir positiv in die Zukunft gehen, um etwas zu verändern. Und nochmal: Jede*r darf den Weg gehen, der für sie oder ihn der richtige ist. Aber ich bin der Meinung, dass man dennoch Teil einer Gemeinschaft sein sollte und sich gemeinsam für unsere Branche stark zu machen, um ihr Überleben zu sichern. Es könnte mir als alter Sack jetzt auch egal sein, wie sich das weiterentwickelt, aber ich liebe diesen Beruf und ich will, dass das Friseurhandwerk weiterrockt. Meine Vision ist, dass es junge Menschen gibt, die das wollen, bei denen ich das Feuer entfachen kann. Das allein ist die Mühe wert.

 

 

16. Oktober 2023In UncategorizedVon Nadine Schwarz
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