Warum die Innung kein Auslaufmodell werden darf!

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Nur gemeinsam sind wir stark! Eigentlich ein abgedroschener alter Hut, aber für unser Friseurhandwerk aktueller denn je. Denn wenn die Basis wackelt, droht das System wie ein Kartenhaus einzustürzen. Die Basis, das sind unsere Innungen, die das Fundament der Verbandsstruktur bilden. Warum es sich lohnt, Innungsmitglied zu sein bzw. zu werden, erzählen euch in diesem Beitrag engagierte Innungs-Obermeister/innnen.

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Das Friseurhandwerk hat in den letzten Jahren bekanntlich ganz schön zu kämpfen: Nachwuchsmangel, Tarifpolitik, allgemeines Image…man kann es langsam nicht mehr hören! Viele Friseure sind mit der Verbandspolitik des (Friseur-)Handwerks nicht mehr zufrieden, kritisieren das Preis-/Leistungsverhältnis zwischen Innungsbeitrag und Output oder werfen ihrer Interessensvertretung Inaktivität vor. Mitglieder verabschieden sich zuhauf aus der Basis oder treten gar nicht erst bei! Und viele haben schlichtweg null Bock auf Ehrenamt, sodass die notwendigen Funktionäre einer Innung gänzlich fehlen. Die tragische Konsequenz: Innungen werden teilweise komplett aufgelöst oder fusionieren. Die Tendenz geht zu mehr Gemecker bei immer weniger Engagement. Doch bei genauem Hinsehen sieht es vielerorts zum Glück ganz und gar nicht düster aus. 

Denn es gibt sie noch, die beispielhaften Innungen, die mit Engagement und Begeisterung für ihr Handwerk aktiv sind. Wir haben die beiden Obermeisterinnen Petra Zander (Friseurinnung Lindau) und Sabine Tasche (Friseurinnung Hannover) sowie den Obermeister Christian Hertlein (Friseurinnung Fürth) gefragt, ob und warum es sich lohnt, Innungsmitglied zu bleiben bzw. zu werden und sich für seine Innung zu engagieren.

Seit wann sind Sie Mitglied einer Innung?

Christian Hertlein: Seit Januar 2001!

Sabine Tasche: Seit 1991!

Petra Zander: Seit 26 Jahren! Zugegeben, zuerst hielt ich es für überflüssig, der Innung beizutregen. Ich wollte Kosten sparen, habe aber schnell gemerkt, dass ich hier am völlig falschen Ende sparen würde….

Warum sind Sie damals Ihrer Innung beigetreten?

Petra Zander: Weil ich schnell die vielen Vorteile erkannt habe, die eine Mitgliedschaft mit sich bringt.

Christian Hertlein: Nachdem ich bereits seit Mitte der Neunziger im Gesellenprüfungsausschuss und im Modeteam der Innung aktiv mitarbeitete und die Teamarbeit und das kollegiale Miteinaner sehr schätzte, war es für mich selbstverständlich, nach der Übernahme des Geschäftes meiner Eltern auch ein aktives Mitglied der Innung zu werden.

Sabine Tasche: Ich komme aus einer Friseurfamilie und bin schon in der 3. Generation. Da mein Vater und Großvater auch schon Innungsmitglieder waren, ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, ebenfalls in der Innung zu sein.

Welche Vorteile genießen Innungsmitglieder gegenüber den Friseuren, die sich gegen eine Mitgliedschaft entschließen?

Sabine Tasche: Die Innung schützt den Friseur als Unternehmer. Sie sichert den Meister und die duale Ausbildung. Als Innungsmitglied erhalte ich Rechtsberatung und mir wird bei Fragen rund um die Ausbildung geholfen. Außerdem sind für mich als Innungsmitglied die Prüfungsgebühreren sowie die Kosten für die überbetrieblichen Lehrgänge niedriger. Oftmals gibt es auch Vergünstigungen bei Gema-Rahmenverträgen, Versicherungen oder den ortsansässigen Stadtwerken. Die einmal jährlich stattfindende Innungsversammlung ist für mich eine tolle Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und als Kommunikationsplattform mit Kollegen. Außerdem erhalte ich zweimal im Jahr die aktuelle Frisurenmode des Zentralverbands, die über unseren Landesinnungsverband kommuniziert wird. Dazu gehört dann auch das jeweils aktuelle Modemagazin HIMAG.

Christian Hertlein: Die Vorteile sind sehr vielfältig, variieren aber je nach Innung und Landesinnungsverband. Bei uns gibt es z. B. günstigere Gebühren bei ec-Kartenterminals, günstigere Gema-Gebühren, Vorteile im Bereich Hautschutz, verschiedene Versicherungen zu günstigeren Konditionen, arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung, Schulungen und Seminare zu attraktiven Konditionen und vieles mehr.

Petra Zander: Angefangen vom Informationsvorsprung, den vielen praxisnahen Veranstaltungen und Seminaren bis hin zum wertvollen Meinungsaustausch. Erst kürzlich hatten wir ein spannendes Seminar zum Thema Kasse und Aufzeichnungspflicht. Ich möchte meinen Betrieb nicht ohne Innung führen müssen! Ich schätze auch die Möglichkeit, als Innungsmitglied und in meiner Funktion als Obermeisterin für unser Handwerk politisch Einfluss nehmen zu können. Als Innung vertreten wir unsere Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vor Arbeits- und Sozialgerichten und vermitteln bei Streitigkeiten von Mitgliedern und ihren Auftraggebern. Das gleich gilt für Lehrlingsstreitigkeiten. Außerdem bieten wir wichtige Informationen zu verschiedenen Themen wie Mutterschutz, Erbschaft, Geschäftsnachfolge, etc. Last but not least, engagieren wir uns als Innung im Kampf gegen die Schwarzarbeit.

Brennpunkt Nachwuchsmangel und Ausbildungsabbrüche – wie reagieren Sie in Ihrer Innung auf diese Probleme?

Christian Hertlein: Innungen können in diesem Punkt mit einer verstärkten Werbung um Berufsnachwuchs punkten, z. B. bei den regionalen Ausbildungsmessen vor Ort um Nachwuchs werben, in den örtlichen Schulen im Rahmen des berufsvorbereitenden Unterrichtes Infos geben und verstärkt Praktika innerhalb der Mitgliedsbetriebe anbieten und organisieren. Um die Zahl der Abbrecher zu reduzieren, sollte die Innung als Ansprechpartner und Vermittler immer zur Verfügung stehen, um so zu versuchen, die Auszubildenden mindestens an einen anderen Betrieb zu vermitteln, bevor Sie gänzlich dem Beruf den Rücken kehren. Sofern die Räumlichkeiten es zulassen, sind auch Kooperationen mit den Arbeitsagenturen zur Qualifizierung von Wiedereinsteigern möglich.

Petra Zander: Bei uns läuft das irgendwie antizyklisch: der Friseurberuf ist nach unserer Erfahrung immer noch sehr gefragt. Wir haben sehr viele willige Lehrlinge, die nach qualifizierten Ausbildungsbetrieben suchen. Das liegt vielleicht daran, dass wir viel für die Nachwuchsgewinnung tun. Wir arbeiten zum einen eng mit der Arbeitsagentur zusammen und bieten mit der Kreishandwerkerschaft in der Berufsschule Lindau sogenannte „Handwerksoffensiven“ an. Schüler können in einem nachgebauten Salon ausprobieren, ob ihnen der Friseurberuf mit seinen vielen Facetten wie z. B. Make-up Spaß machen würde.

Sabine Tasche: Wir nutzen intensiv die aktuellen Imagekampagnen des Zentralverbands des deutschen (Friseur-)Handwerks. Darüber hinaus kooperieren wir mit einer Modefachschule und organisieren gemeinsame Events wie „Fashion & Dance“, in denen unsere Friseure mit der Gestaltung von Frisuren und Make-up involviert sind. Das gleiche gilt für das Event „Ideen-Expo“ mit Handwerkertag. Wir kooperieren mit den ortsansässigen allgemeinbildenden Schulen und haben unser eigenes Ausbildungszentrum, in dem angehenee Friseure unseren Beruf an Medien „erschnuppern“ dürfen. Bei Ausbildungsabbrüchen wirken wir als Innung ein, indem wir versuchen, für den Azubi einen anderen Betrieb zu finden, sofern er weitermachen möchte.

Mit welchen Problemen haben Sie in Ihrer Innung zu kämpfen?

Christian Hertlein: Allen voran machen uns der Mitgliederschwund und die im Moment sehr verbreitete Unlust, sich für den Beruf zu engagieren, große Probleme. Hier müssen wir es wieder schaffen, junge Kollegen zu motivieren, sich in der Innung einzubringen. Aber auch Probleme und Differenzen mit den örtlichen Handwerkskammern, Berufsschulen und Kreishandwerkerschaften können manchmal die Arbeit in der Innung erschweren.

Petra Zander: Wir sind in unserer Innung hier in Lindau zum Glück sehr gut aufgestellt und toll zusammengewachsen, machen eine gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und haben schon viele gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt. Die Bereitschaft zum Ehrenamt könnte für mich noch größer werden. Ich glaube, viele potenzielle Mitglieder, aber auch Mitglieder, wissen gar nicht so richtig, was die Innung eigentlich macht und was ihnen eine Mitgliedschaft bringt. Ich höre so oft, dass die Innung mit der Handwerkskammer gleichgesetzt bzw. verwechselt wird. Viele kennen die Strukturen nicht. Daher mein Appell an alle, die das betrifft: Ruft bei eurer Innung oder bei eurem Obermeister/Obermeisterin an und fragt nach! Hier ist noch viel Aufklärungsbedarf!

Sabine Tasche: Ja, auch bei uns ist das größte Problem der Mitgliederschwund. Der Organisationsradius wird immer kleiner. Es ist anstrengend, Leute fürs Ehrenamt zu gewinnen. Denn das findet ja meist am Wochenende statt. Da möchten viele lieber Freizeit haben.

 

 

Was konnten Sie als Innung in der letzten Zeit für Ihr Handwerk erreichen?

Christian Hertlein: Schwierige Frage, weil sich die Arbeit oft nur in kleinen Bereichen positiv bewegt und sich verschiedene Aktionen nur sehr schwer `messen` lassen. Eines unserer Ziele in den letzten Jahren war die Zusammenarbeit mit unseren angrenzenden Innungen auszubauen und zu intensivieren. Hier sollen vor allem die Mitglieder von Kooperationen profitieren im Bereich Seminare, Schulungen, Nachwuchswerbung und Veranstaltungen.

Sabine Tasche: Wir bieten unseren Mitgliedern gemeinsem mit dem Landesinnungsverband permanente Weiterbildung an. Seit Anfang des Jahres kooperieren wir mit der Deutschen Friseurakademie. Zudem freuen sich unsere Mitglieder über unsere kompetente Geschäftsstelle, bei der sie jederzeit anrufen und um Rat fragen können sowie über unseren Rundsschreibenservice per email. In unserem eigenen Ausbildungszentrum sind wir in der Lage, sogar Meister-Prüfungen abzunehmen und Überbetriebliche Lehrgänge auf hohem Niveau anzubieten. Dafür bilden sich unsere Dozenten permanent fort. Außerdem halten wir viel und engen Kontakt zu den Betrieben, sind gemeinsam mit dem LIV im Aushandeln der Tarifverträge involviert und kooperieren mit der Berufsgenossenschaft.

Petra Zander: Für die Betriebe in unserer Region ist das Thema „Inkassoforderungen“ von unseriösen Briefkastenfirmen gerade ein Riesenthema. Hier konnten wir schon viele Mitglieder in akuten Situationen unterstützen und verhindern, dass sie „abgezockt“ werden. Außerdem freuen wir uns, dass wir auch immer wieder Veranstaltungen wie die Präsentation der aktuellen Mode durchführen können. Das geht aber nur, wenn das ehrenamtliche Engagement stimmt. Die 8 schwäbischen Friseurinnungen kooperieren in Sachen Mode und Events sehr eng und erfolgreich. Es gibt sogar eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe der schwäbischen Obermeister/innen, in der wir schnell und unkompliziert so manche Lösung und Antwort finden. Da gibt es auch kein Konkurrenzdenken, was sehr schön ist, denn nur gemeinsam ist man stärker…

Warum sollten Friseure Innungsmitglied werden?

Christian Hertlein: Die vielschichtige Arbeit mit Kollegen aus allen Bereichen und Regionen, die gemeinsame Ziele verfolgen, kann unglaublich motivierend sein und bringt viele positive Erfahrungen für jeden einzelnen. Wir können am Beispiel von England sehen, wie schwer es für ein einzelnes Land ist, das sich aus der Gemeinschaft verabschiedet hat, Vorteile zu erreichen. Nur in der Gemeinschaft ist man stark und kann vor allem auch bei der Politik etwas erreichen und bewegen. Die Vorteile, die sich durch eine Innungsmitgliedschaft bieten, sollten von jedem Kollegen/jeder Kollegin aktiv genutzt werden.

Petra Zander: Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass man aus einer Innung austritt bzw. gar nicht erst Mitglied wird. Denn wenn ich keine Lobby habe, lasse ich mich lenken! Und als Einzelkämpfer nimmt mich niemand wahr! Was mir in dem Zusammenhang auch unbegreiflich ist, wenn eine Innung nicht im Landesinnungsverband ist.

Sabine Tasche: Nur als Gemeinschaft ist man stark und kann etwas bewegen! Neben all den bereits genannten Voteilen ist der Austausch unter Kollegen innerhalb einer Innung unbezahlbar!

Was ist eine Innung?

Derzeit verteilen sich im Friseurhandwerk rund 25.000 Mitglieder auf 260 Innungen. Die Innung ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Mitgliedschaft in der Innung ist freiwillig. Innungen sind Partner der Handwerkskammern und überörtlich sind Innungen auf Landesebene dem zuständigen Landesinnungsverband angeschlossen und auf Bundesebene dem Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks.

Innung bedeutet Interessenvertretung. Schwerpunkte ihrer Arbeit bilden die Tarif- und Sozialpolitik, die Berufsbildung und die Mode. Die Innung ist also nicht nur die regionale politische Vertretung ihrer Mitgliedsbetriebe, sondern sie fördert den Erfahrungsaustausch zwischen den Kollegen und organisiert Modeveranstaltungen und Seminare. Gemeinsam agiert die Innung mit dem Landesinnungsverband außerdem als Verhandlungspartner der Gewerkschaften im Bereich der Tarifpolitik. Die Innung ist Ansprechpartnerin für alles, was die Ausbildung betrifft und kümmert sich um die Nachwuchswerbung. Innungsmitglieder profitieren außerdem von geldwerten Vorteilen durch diverse Rahmenverträge. Die Innung bietet Rechtsberatung und ständige aktuelle Informationsweitergabe rund um das Innungsleben und die Branche.

Quelle: Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks