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Die besten Kalkulationsseminare für Salons kannste knicken, wenn der Bauch der Friseure bei der neuen Preisgestaltung nicht mitzieht. Klar steigen alle Kosten, klar ist Corona ein finanzieller Supergau. Gründe für (dringend notwendige!) Preiserhöhungen gibt es also viele! Höchste Zeit, das riesengroße Friseurherz ins Boot zu holen. Und wer kann das besser als FMFM Artist Andreas Sebastian Ehrle ? Keiner.

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Wer von euch kennt folgende Situation: Du stehst vorne an der Kasse, die Haare deiner Kundin sind top geschnitten, die Farbe strahlt und deine Kundin ist happy. Job erfüllt! Fast drei Stunden hat es gedauert, die Fackel so zum Brennen zu bringen. Nun geht’s nur noch ums Kassieren. Du überlegst dir schon die ganze Zeit beim Föhnen, was du dafür verlangen kannst bzw. was du dich traust, dafür zu kassieren. Eigentlich musst du da schon ordentlich was für nehmen. Drei Stunden, bei einem Stundensatz von 60 Euro – das sollte man ja unternehmerisch schon rechnen. Das sind dann mal 180 Euro plus die Farbe, die Folie und natürlich das geile Ergebnis – das sollte ja auch irgendwie honoriert werden und ein Mehrwert sein. Also nimm mal 250 Euro. Du zögerst.

Wieviel bin ich wert?

Warum ist es für uns Friseure so schwer, dann eben so einen Betrag zu verlangen? Ich selbst hatte jahrelang Probleme damit. Liegt es daran, dass die Kundinnen und Kunden so etwas wie Freunde sind? Oder ist es die Angst, dass die Person dann verärgert ist und nicht wiederkommen wird? Was genau ist zu teuer? Klar ist: Die Wertschätzung bei uns Friseuren ist leider sehr gering. Aber denken wir das nur oder ist es so? Früher hieß es ja, wer nicht weiß, was er/sie machen will, wird Friseur*in. Beispiel: Meine Oma ist 1917 geboren. Als sie mit 14 Jahren Friseurin werden wollte, durfte sie es nicht. Ihr Vater meinte, der Beruf käme gleich nach dem der Kellnerin. Und das mache man nun mal nicht. Meine Oma ging also weg von zu Hause und wurde Friseurin. Und das bis zum letzten Lebensjahr, ein Leben lang. Lange ist’s her…

Wer bin ich?

Heute sind wir doch die, die den Trend machen. Die, die vor der Zeit sind: Modisch, freundlich, kreativ und kompetent. Handwerk ist es – und unser Handwerk ist Kunst. Handwerk kostet seinen Preis. Obendrein sind wir oft noch der Mülleimer für die Sorgen und Probleme der Kundinnen und Kunden. Wir hören zu, nehmen auf und helfen, wo es geht, mit unserer Person. Wie ein Psychologe eben. Eben nur zum Preis eines Friseurs – und den Haarschnitt gibt’s oben drauf. Das ist ein guter Deal. Für die Kundin jedenfalls. Für uns Friseur*innen bei weitem nicht immer. Was hemmt uns? Schau mal, was KFZ-Mechaniker*innen die Stunde kosten – da musst du keinen Porsche fahren, um einen ordentlichen Stundensatz zu zahlen. Schau mal, was es kostet, wenn deine Waschmaschine nicht funktioniert und jemand dafür kommen muss. Alleine die Anfahrt kostet schnell mal 100 Euro. Lass dich mal tätowieren und schau, was da aufgerufen wird. Viele nehmen 150 Euro die Stunde. Auch da meckern die Leute nicht wirklich. Denken sich zwar: „Uff, ist das viel“, aber zahlen es trotzdem gern. Mir selbst fällt es bis heute leider schwer, bei einer Kundin, die seit über 20 Jahren zu mir kommt, den Preis anzuheben. Zwar denke ich mir, die Farbe im Einkauf, das Wasser, der Strom und alles drum herum werden doch auch teurer. Trotzdem kann ich es oft nicht.

Manchmal ist es einfach

Warum musste mir ausgerechnet Corona helfen, einen Grund zu finden, dass ich teurer werde? Ganz offiziell. Sogar bei meinen Stammkunden. Bei Kundinnen und Kunden, die neu in meinen Salon kommen, tue ich mich viel leichter. Es ist mir egal, wo sie davor waren und was sie dort bezahlt haben. Sie sind bei uns, das wollten sie so und wir sind gut. Das kostet dann eben auch sein Geld. Ich habe oft das Thema mit meinen Kolleg*innen. Ich gebe dann zum Beispiel den Preis für eine Balayage vor. Vorne an der Kasse dann immer das gleiche Spiel: Es wird weniger verlangt als vereinbart. Dabei wäre es doch so einfach, den Preis, den ich nenne, zu verlangen. Sag doch: „Der Chef hat es so bestimmt!“ Dann bist du raus aus deiner Angst. Klappt aber eben auch nicht immer.

Anders denken

Keine Ahnung, was auch immer es ist. Ich denke da echt viel drüber nach und komme mehr und mehr zu dem Ergebnis, dass wir uns nicht mehr verstecken sollten! Vielleicht ist auch manchmal „Nicht-so-viel-drüber-Nachdenken“ die Lösung. Die Amis machen das anders. Vor vielen, vielen Jahren durfte ich mal Starstylist Robert Cromeans kennenlernen. Er war mein Vorbild zu dieser Zeit. Ein wilder Typ. Abends an der Bar unterhielten wir uns. Er hatte zu der Zeit, wenn ich mich richtig erinnere, ein paar Salons, auch in Vegas. Dort bot er eine aberwitzige Champaign-Haarwäsche an. Ich glaube, für 1000 Dollar oder so. 1000 Dollar dafür, dass dir einer Champagner über den Kopf schüttet und massiert. „Wow“, dachte ich, „das muss man sich trauen!“ Robert fragte mich: „Andi, wie lange ist dein Buch im Voraus voll?“ Ich sagte ihm: „Ungefähr zwei Monate“. Ich habe bis heute das Glück, dass mein Buch immer lange voll ist und mein Stuhl Kund*innen trägt. Robert erwiderte: „Wenn du zwei Monate voll hast, dann nimm ab morgen von jedem Kunden und jeder Kundin zehn Euro mehr für den Schnitt. Einfach so. Was wird denn dann passieren? Die werden schon komisch schauen, werden es aber zahlen. Einem Teil von ihnen wird es egal sein, ein anderer Teil wird vielleicht nicht wiederkommen. Bedeutet, dass du dann vielleicht – wenn es dumm läuft – statt der üblichen acht Wochen nur noch deine fünf Wochen voll hast. Und dann? Fünf Wochen voll ist doch mega! Und du hast einen Zehner mehr pro Kund*in in der Kasse! Da kommt was zusammen.“ Dann stand er auf und ging schlafen. „Was für ein geiler Typ“, dachte ich mir. Aber eben auch, dass ich nicht in Vegas bin, sondern in Tübingen, bei den Schwaben.

Eine Frage der Wertschätzung

Als ich wieder in meinem Salon war, machte ich es. Aber eben nur mit zwei Euro. Klar ging es auf, viele merkten es nicht mal. Worauf ich raus will: Seid stolz auf das, was ihr seid, versteckt euch nicht! Gute Arbeit kostet ihr Geld. Wir sind Handwerkerinnen und Handwerker in dem – meiner Meinung nach – kreativsten und auf die Person selbst bezogensten Job, den es gibt. Wir arbeiten auf dem Kopf der Menschen und geben ihnen durch das, was wir machen, ihre Note. Ihren Ausdruck. Ihren Style. Eine Klamotte kannst du ausziehen – Haare eben nicht! Wenn das dann nicht auch mal ein paar Euro mehr wert ist, weiß ich auch nicht… Ich bin ehrlich: Als ich angefangen habe, meine Preise anzuheben, hatte ich Angst, aber gleichzeitig auch ein Gefühl von Wärme in mir. Irgendwie gefiel es mir, nun mehr zu kosten. Gar nicht unbedingt wegen ein paar Euro mehr in der Kasse. Eher einfach wegen der Wertschätzung und dem Gefühl, etwas zu kosten. Oft ist es auch so, dass wir einen hohen Preis verlangen, bei dem wir uns fast nicht trauen, ihn auszusprechen – dann zahlt die Kundin und gibt noch ein sattes Trinkgeld. Mehr Anerkennung an der Kasse geht doch nicht, oder? Das kann einen doch stolz machen.

Ich finde, wir sollten es alle für unsere Branche und für uns tun. Es wird uns helfen, das Klischeedenken, das leider über uns Friseurinnen und Friseure noch immer herrscht, zu brechen. Du selbst hast es in der Hand. Ich bin stolz, Friseur zu sein und wisst ihr was? Es fühlt sich verdammt gut an. Ich bin definitiv nicht preiswert, aber ich bin meinen Preis wert!

Von Herzen, Euer Andi

 

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“