„Wir Frauen müssen nicht die besseren Männer sein“
Sie wirbelt durch die Friseurszene und wechselt dabei faszinierend die Farben wie ein Chamäleon: FMFM Artistin Denise Bredtmann rockt ihr Leben zwischen Salonführung, Seminarbühne und Backstage-Stylings beim TV-Format „Let’s dance“. Was nach außen so easy und spielerisch wirkt, stellt auch eine Powerfrau wie sie auf die Probe. Ein Gespräch über Balance im Leben und warum auch Denises innerer Mann und innere Frau erst den Paartanz lernen mussten.
Hey, Denise. Let’s talk about women. Du hast ein bewegtes Leben, saust als Friseurin durch die Weltgeschichte. Aufregend, aber sicher auch anstrengend. Kürzlich haben wir uns glücklicherweise mal wieder persönlich beim Frauenseminar von Connie Schwarz getroffen. Was hat das für dich seither verändert?
Vieles. Mir ist bewusst geworden, dass ich in den vergangenen Jahren, die stark durch Corona und somit durch zahlreiche Überlebenskämpfe geprägt waren, sehr intensiv meinen männlichen Teil gelebt habe. Das war in dieser Zeit sicher auch wichtig, denn es ist die männliche Qualität, diszipliniert und kraftvoll nach vorn zu gehen und zu kämpfen. Was ich allerdings zu sehr aus den Augen verloren hatte, war meine weibliche, weiche und verspielte Seite, in der ich Leichtigkeit erlebe. Die größte weibliche Stärke ist ja die Liebe. Ähnlich wie Licht die Dunkelheit vertreibt, kann Liebe die Traurigkeit vertreiben. Vielleicht hängt diese große Liebesfähigkeit bei uns Frauen damit zusammen, dass wir Kinder gebären können. Dadurch sind wir in der Lage zu lieben und uns hinzugeben, ohne zu vergleichen und aufzurechnen. Ich denke, es ist aber die Schattenseite genau dieser Hingabefähigkeit, dass wir uns davor schützen müssen, uns aufzuopfern. Oder auch blind in den männlichen Kampfmodus zu schalten. Denn bei beidem brennen wir automatisch aus. Das gilt es fein zu justieren.
Da geht es Dir wie vielen Kolleginnen, oder?
Absolut. Ich erlebe viele Frauen und Kolleginnen, die sich ebenfalls ausgebrannt fühlen und nicht in ihrer Kraft sind. Heute weiß ich: Vermutlich haben die meisten von ihnen keinen oder nur wenig Zugang mehr zu den positiven Seiten ihrer Weiblichkeit. Das ist ja auch wenig verwunderlich: Als Frauen, die wir mit den Themen Emanzipation und Feminismus im feinsten Emma-Stil großgeworden sind, haben wir für uns beansprucht, dass wir auch in Männerdomänen erfolgreich sein können. Und das ist ja tatsächlich so! Das ist eine große Errungenschaft, daran besteht kein Zweifel. Klar schaffen wir Frauen eine Menge. Klar können wir Menschen führen und unser Business toll managen, sozusagen „unseren Mann stehen“. Was in diesem Kampfmodus allerdings auf der Strecke geblieben ist, ist das Weibliche. Das Weiche. Das Verbindende.
Was genau ist jetzt anders für dich im beruflichen und letztlich auch privaten Alltag?
Ich arbeite ja seit einigen Jahren im Styling-Team der TV-Sendung „Let’s dance“. Beim Tanzen kann man wunderbar beobachten, dass ein bezaubernder, großartiger Paartanz nur in der harmonischen Balance zwischen der Frau und dem Mann entsteht. Nur wenn beide im Fluss miteinander sind, wenn mal die weibliche Anmut, dann wieder die männliche Stärke im Vordergrund steht, wirkt das Ganze leicht und fließend. Dieses Prinzip setzen die fantastischen Choreographen der Show übrigens auch bei schwulen oder lesbischen Tanzpaaren ein. Mal führt der/die eine/r und der/die andere/r gibt sich hin, dann wechselt es wieder. Der spielerische Switch schafft die Balance. Für mich ist dies ein Sinnbild, wie es sich bei uns Menschen insgesamt verhält: Nur wenn wir beide Teile in uns – der männliche und der weibliche Teil – unverkrampft miteinander tanzen und ihre Stärken laufend teilen, erleben wir im Leben Leichtigkeit. Das gilt für Frauen ebenso wie für Männer. Übertragen auf den Salonalltag heißt das: Bin ich als Unternehmerin zu viel im inneren Mann, werde ich hart und kalt. Auf Dauer macht dich das als Frau kaputt.
Meine Definition von Erfolg
Ein wichtiges Thema für die Friseurbranche, oder? Fast 80% sind Frauen…
Ja, das ist es. Wir sehen ja heute immer noch, dass auf den Bühnen der Kongresse fast nur Männer stehen. Die Botschaft, die sich daraus ablesen lässt, ist doch auf den ersten Blick: Du kommst nur an die Spitze, wenn Du funktionierst wie ein Mann! Dabei interpretiere ich Erfolg für mich ganz anders: Erfolgreich bist du dann, wenn du beruflich und privat glücklich bist. Für uns Frauen ist daher aus meiner Sicht die größte Lernaufgabe, uns eben nicht zu vergleichen und die besseren Männer sein zu wollen. Neben den männlichen Stärken sollten wir auch unsere ur-weiblichen Qualitäten schätzen lernen. Dann stehen uns doch viel mehr Möglichkeiten zum Agieren zur Verfügung. Wenn wir – wie beim Paartanz – zwischen weiblichen und männlichen Qualitäten hin- und herwechseln können, wird auch die Führung von Teams deutlich leichter.
Wie genau setzt du das um?
Zunächst finde ich es wichtig, immer wieder in sich rein zu spüren: Wann bin ich in meinem inneren Mann? Wann in der inneren Frau? Und welche Qualitäten braucht genau diese Situation, in der ich mich gerade befinde? Ein Beispiel: Im August haben ja die neuen Azubis ihre Ausbildung in den Salons begonnen. Das stellt an die Teamleitung besondere Ansprüche. Im ersten Schritt ist es wichtig, nach einer herzlichen Begrüßung die Verhältnisse und Rangfolge zu klären. Welche Regeln gelten, wie gehen wir miteinander um, welche Ziele haben wir? Das braucht Klarheit und neben viel Herz sicher auch eine Portion Distanz. Dort sind eher meine männlichen Anteile gefragt. Um dann motiviert und gesund wachsen zu können, brauchen die Youngsters (aber auch das Team insgesamt) unbedingt ganz viel Liebe und Wärme. Ein großes Vorbild für liebende und gleichermaßen klare Führung ist meine Kollegin Regina Rieckmann, die das in ihrem Salon in Bartgeheide großartig umsetzt. Der Punkt ist ja der: Es geht ja weder darum, ausschließlich weiblich oder nur männlich zu führen. Es braucht die Balance aus beidem! Genau wie bei einem Paartanz. Und weißt du was? Dann wird Führen relativ mühelos.
Einfach mehr spüren
Da reinspüren heißt aber auch, dass du dich als Chefin stark mit dir selbst auseinandersetzt, oder?
Ja klar. Unsere weibliche Stärke ist ja, dass wir von Natur aus ein ausgeprägtes Urvertrauen haben. Um das allerdings spüren zu können und nicht automatisch mit dem (männlichen) eisernen Besen durch die Welt zu rennen, müssen wir uns unbedingt Zeit dafür nehmen. Unsere innere Frau braucht Selbstfürsorge! Das ist total wichtig. Wenn wir uns und unsere Bedürfnisse nicht spüren können, laufen wir leer. Ich habe das selbst erlebt. Nur ein kleines, aber wichtiges Beispiel: Jeden Abend war ich nach dem Salontotal kaputt und ausgelaugt. Und das, obwohl mir meine Aufgaben und auch die Arbeit im Team total Spaß gemacht haben. Ich habe mich also ganz in Ruhe gefragt, woran diese Erschöpfung liegen könnte. Die Antwort, auf die ich in mir stieß, war eine ganz banale – und doch so unglaublich wichtig: es war das Telefon, das ständig im Salon klingelte! Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, wir alle müssten da eben durch. Was ich aber erst sehr spät spürte, war, dass genau diese Unruhe das Fass zum Überlaufen brachte. Denn es war so: Egal, worin man gerade vertieft war – immer wieder riss einen das Telefon aus der Situation raus. Im Anschluss an diese – scheinbar simple – Erkenntnis allein durchs Reinspüren haben wir das Salontelefon aufs Band umgestellt. Jetzt rufen wir die Kunden und Kundinnen zurück, wenn wir Zeit und Muße haben. Der Effekt aus dieser scheinbar einfachen Lösung ist großartig – das ganze Salonteam ist deutlich entspannter. Und ich als Chefin auch. Balance ist also wirklich ein Schlüsselwort für ein erfülltes Leben.