„Wir sollten uns fragen: Sind wir wirklich so gut, dass wir diese Preise nehmen können?“
FMFM-Artistin Sabrina Poser gehört derzeit zu den erfolgreichsten Unternehmer*innen der Friseurbranche. Das Team ihres Salons „Biosthetik Hair & Beauty“ fährt traumhafte Umsätze ein und setzt Maßstäbe, wenn es um die Themen „Zusatzdienstleistungen“ und die von ihr entwickelten „Upgrades“ geht. Wir haben die leidenschaftliche Friseurmeisterin gefragt, welche 5 Chef-Bausteine es braucht, um in Zeiten wie diesen einen Salon und ein Salonteam erfolgreich durchs stürmische Meer zu navigieren. Sie hat sie uns verraten – und erklärt uns außerdem, was es mit den Upgrades auf sich hat und wie auch Berufskolleg*innen davon profitieren können.
1. Baustein: Persönlichkeitsentwicklung
„Die Entwicklung der Mitarbeiter*innen ist im Moment die wichtigste Unternehmeraufgabe. Eine Aufgabe, die in der Friseurbranche in den vergangenen Jahren leider nur mäßig bespielt wurde. Ich kann meinen Kolleg*innen nur raten: Stellt euer Personal spätestens jetzt für die Herausforderungen der Zukunft auf, denn „so wie früher“ wird die Situation nicht mehr werden. Wer sich noch nicht mit Themen wie Mitarbeiterführung, Teamkompetenz und Recruiting beschäftigt hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit schon jetzt Personalprobleme haben, da dieser Prozess viel Zeit und Arbeit mit dem Team bedeutet. Wichtig ist aber: Seht die Herausforderungen der heutigen Zeit als Chance! Als Chance, vieles besser zu machen, Dinge schneller anzustoßen. Zuversicht, Kreativität und Verantwortung, verbunden mit eingebrachtem unternehmerischem Wissen sind wesentliche Säulen für ein gesundes, stabiles Wachstum. Wenn ihr außerdem auf nicht so schnell zu kopierende Dienstleistungen und Angebote setzt und euer Personal hochqualifiziert und empathisch ist, seid ihr für die Zukunft gut aufgestellt.
Wie aber gelingt eine zukunftssichere Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeitenden? Mein Tipp: Investiert in eine gute Unternehmensberatung! Um mein Team mental zu stärken, arbeiten wir seit drei Jahren mit der HRC Unternehmensberatung zusammen – und es war jeden Euro wert. Nicht nur für die Teamschulung, auch für mich, um nicht betriebsblind zu werden und selbst stabil zu bleiben.
Im Coaching haben wir unter anderem gelernt, dass die Macht der Worte nicht zu unterschätzen ist. Worte machen etwas mit Menschen und ich als Chefin bin für die Wortwahl in meinem Salon verantwortlich. Ich weiß nun, dass ich ein tolles Team habe, das durch das Coaching noch mehr zusammengewachsen ist und voll und ganz hinter dem Salonkonzept steht. Durch die Unternehmensberatung wurde mir klar, dass manche Veränderungen, die mich persönlich gar nicht so sehr getroffen haben, umso einschneidender für das Team waren. Durch die mentale Stärkung können viele zwischenmenschliche Probleme vermieden werden und meine Mitarbeitenden sind Veränderungen gegenüber offen und positiv eingestellt. Unglaublich wichtig, denn nur mit gesunden und motivierten Mitarbeiter*innen klappt das Navigieren durch unbekanntes Fahrwasser. Genau so wichtig wie mentale Stärkung ist auch Humor: Wir nehmen vieles einfach locker. Zudem arbeiten wir viel mit der Spiegeltechnik. Hierbei lernt man, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen und dessen Standpunkte zu verstehen.“
2. Baustein: Salonführung
„Ich bin selbst nur noch 20 Stunden pro Woche im Betrieb. Deswegen ist mein Konzept so aufgebaut, dass das Team sich selbst führt. Die Strukturen und Prozesse dafür sind vorher ausgearbeitet und gemeinsam mit dem Team weiterentwickelt und abgestimmt worden. Wichtig dabei: Es geht nur mit Klarheit! Jede*r Einzelne muss wissen, was sein Verantwortungsbereich ist und wie die zugehörigen Aufgaben definiert sind. Auch das braucht Zeit und wir sind ständig am Optimieren. Selbstverständlich bin ich für meine Mitarbeitenden immer Ansprechpartnerin, wenn es Probleme oder Änderungsbedarf gibt. Viele Unternehmer*innen delegieren keine Verantwortung, weil sie denken, nur sie selbst könnten die Aufgabe richtig ausführen. Ich sehe das etwas anders: Natürlich muss ich durch meine Vorgaben das Schiff lenken, so wie ich das für das Unternehmen als sinnvoll erachte. Aber ihr werdet staunen, wie kreativ, besonnen und zuverlässig Mitarbeitende ihren Verantwortungsbereich ausfüllen, wenn man ihnen Vertrauen schenkt. Oft mit Ideen, auf die man selbst noch gar nicht gekommen ist. Die Übernahme dieser Verantwortungsbereiche wird mit einer freiwilligen sozialen Zulage von mir honoriert, abhängig von den Stunden, die das Teammitglied arbeitet. Damit komme ich auf 150 bis 400 Euro zusätzlich pro Mitarbeiter*in. Ist jemand krank oder im Urlaub, gibt es eine Vertretung. Hier ein paar Beispiele für die Verantwortungsbereiche:
• Social Media
Dieser Verantwortungsbereich umfasst die Betreuung der Salon- und Academy-Accounts. Zusätzlich hat jede*r Mitarbeiter*in einen eigenen Stylisten-Account, den er / sie selbst betreut. Hierfür zahle ich keine Zulage, das gehört heute dazu.
• Augendesign
Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ist in diesem Bereich für das Qualitätsmanagement veranwortlich, so dass alle Mitarbeitenden Dienstleistungen wie Lashlifting, Browlifting und Henna Brows gemessen an unseren Qualitätsstandards ausführen können.
• Make-up
Wir haben eine Make-up Artistin im Team, die in der Vergangenheit Schüler*innen zum Make-up Artist ausgebildet hat. Folglich entwickelt sie das Team weiter. Ich möchte, dass meine Mitarbeitenden nicht nur Make-ups anbieten können, sondern über einen Zeitraum von zwölf bis 18 Monaten alle ausgebildete Make-up Artists sind und somit Kund*innen fachlich noch fundierter beraten können. Zugleich ist das ein super Argument zur Mitarbeitergewinnung: Denn wer bei uns arbeitet, erhält gleichzeitig immer diese Make-up Ausbildung.
• Farbe
Ein*e Mitarbeiter*in kümmert sich sehr intensiv um die Fragen: In welchem Bereich müssen wir uns farb-/strähnentechnisch weiterbilden? Bei wem sollten wir das nächste Seminar buchen? Welche*r Mitarbeiter*in sollte im Bereich Farbe den nächsten Step machen, um sich weiterzuentwickeln? Diese Fachkraft kümmert sich auch um die Azubis, damit deren Fähigkeiten schnell wachsen, sie noch mehr Spaß haben und in die Abläufe besser eingebunden werden können.
• Extensions
Diese*r Mitarbeiter*in kümmert sich um die Weiterentwicklung dieses Bereichs in puncto Tressen, Ultraschall, Tapes etc.
• Organisation
Hierzu zählt alles, was im digitalen Bereich anfällt, außerdem Bestellungen etc.
• Checklisten Salonordnung
Eine*r ist dafür verantwortlich, zu checken, ob das Team die Salonordnung auch wirklich einhält. Sonst nützt es nichts, die Checklisten zu haben.
• Und noch einige Bereiche mehr
Warum ich das mache? Ganz einfach: Ich möchte, dass meine Mitarbeitenden sich verantwortlich fühlen und sich so besser mit dem Unternehmen identifizieren. Der weitere Grund ist einfach, mich zu entlasten. So komme ich vom Stuhl weg und kann in dieser Zeit das Unternehmen anderweitig betreuen und mich beispielsweise intensiv mit Marketing, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und betriebswirtschaftlichen Inhalten beschäftigen.“
3. Baustein: Salonkonzept
„Im Moment ist das große Thema, auf das alle abzielen, die Spezialisierung. Dabei stelle ich die provokative Frage: Wenn jeder dritte Salon nun Blondspezialist ist, handelt es sich dann tatsächlich noch um eine Spezialisierung? Oder muss man sich dann wieder in eine Reihe von Salons einordnen, die letztendlich das gleiche Angebot bieten? Dann bin ich erneut einer Konkurrenz ausgesetzt und wieder nur ein Salon von vielen.
Ich behaupte: Den guten Haarschnitt, die darauf abgestimmte Beratung sowie die perfekte Farbe setzt die Kundschaft voraus. Wenn wir mit unseren Salons zum Premiumbereich gehören wollen, sollten wir uns über folgendes Gedanken machen: Was versteht der Friseur oder die Friseurin unter Beratung? Umfassende Beratung bedeutet meist, zum gewünschten Haarschnitt unter Berücksichtigung der Proportionen zu beraten und dann vielleicht noch ein Verkaufsprodukt vorzustellen. Dann war die Beratung gut. Oder?
Was versteht die Kundschaft unter Beratung? Ich behaupte: Sie setzt eine gute Frisurenberatung voraus, sie wünscht sich aber den ganzheitlichen Blick dafür, was sie noch schöner machen würde.
Spätestens jetzt rümpft sicher so manche*r Kolleg*in die Nase und denkt: Das will die Kundschaft nicht. Sie kommt schließlich nur zum Schnitt. Hätte sie weitere Wünsche, hätte sie sich ja dafür angemeldet. Nun ja. Ich verdeutliche das ganz gerne an meiner Geschichte:
Ich bin 53 Jahre alt und habe gelernt, dass es nicht darum geht, was andere denken oder erwarten. Es geht darum, was ich für mich selbst tun möchte, um mich wohlzufühlen und selbstbewusst aufzutreten. Und ja: Dazu gehören auch äußerliche Veränderungen wie Haarbehandlungen, Make-up, Brow-Styling uvm. Warum sollte ich mich davon abhalten lassen, einfach weil jemand denkt, ich könne oder wolle es mir nicht leisten? Jetzt stelle ich mir vor, ich sei keine Friseurin, hätte kein Kosmetikdiplom, keine Ausbildung zur Typ-/Image-Beraterin, würde mich nicht ständig weiterbilden. Heißt also, ich wäre selbst darauf angewiesen, dass meine Friseurin, zu der ich alle 4 bis 8 Wochen gehe, mich berät, wie ich das Beste aus meinem Äußeren herausholen kann. Ich hätte vielleicht keine natürlichen Hand Tight Wefts, um füllige Haare zu haben, ich hätte nicht meinen idealen Blondton, kein Brow-/Lash-Lifting, kein Make-up und keine altersgerechte Haar- und Hautpflege. Und warum? Weil meine Friseurin entscheidet, dass ich mir das evtl. nicht leisten kann? Weil sie denkt, sie schwatzt mir etwas auf? Weil sie denkt, nur die inneren Werte zählen oder weil sie mir sparen helfen möchte?
Wisst ihr, dass 80 Prozent der Friseur*innen so denken und folglich so handeln, also nicht umfassend beraten? Vielleicht müssen wir unsere Konzepte hinterfragen. Uns fragen, ob wir wirklich so gut sind, dass wir diese Preise verlangen können. Wenn ich als Kund*in keinen Unterschied erkenne, ob mir jemand schwarz die Haare macht oder ich einen Salon betrete und das Mehrfache bezahle für die gleiche Leistung, dann wird es wirtschaftlich langfristig schwierig werden. Die Arbeit an einem gesamtheitlichen Konzept wiederum, mit kommunikationsstarken Mitarbeiter*innen und einer Erlebniswelt im Salon erfordert stetigen Invest und ständige Entwicklung.
Wenn man Friseur*innen fragt, warum sie sich diesen Job ausgesucht haben, kommt oft die Antwort: Ich liebe es, Menschen glücklich zu machen. Aha. Die Praxis sieht leider anders aus. Da wird maximal, wenn überhaupt, zur gebuchten Dienstleistung „beraten“, also zum Haarschnitt oder der Farbe, wenn man dabei von Beratung sprechen kann. Es wird sich keine Zeit für die Kundschaft genommen, weil die Führung ihre Aufgaben als Unternehmer*in nicht gemacht hat. Weil der Chef oder die Chefin keine realistische Kalkulation aufgestellt hat, müssen die Mitarbeiter*innen im Akkord arbeiten, um einen gewissen Umsatz zu generieren. Provisionen sind dabei in weiter Ferne, weil sie gar nicht erst erreicht werden.
Aber wenn man gut aus- und weitergebildet ist, weiß man doch als Friseur*in mehr als die Kund*innen. Dann, wirklich erst dann, hat man seine Konjunktur selbst in der Hand und keine Preisdiskussionen mehr. Wie gesagt: Den perfekten Haarschnitt oder die perfekte Farbe setzt die Kundschaft voraus. Was zählt und ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist, ist der gesamtheitliche Blick auf die Kundschaft: Was macht diesen Menschen, der vor mir sitzt, schöner?
Denn warum glaubt ihr, kommt die Kundschaft zu uns? Nur aus einem Grund: Um schöner zu sein als vorher, und das hört nicht beim Haarschnitt auf. Ich sage: Wenn ihr nicht ganzheitlich beratet, beraubt ihr die Kundschaft ihres optimalen Lebensgefühls.“
4. Baustein: Preisgestaltung
„Die Preisgestaltung ist für mich essentiell und läuft folgendermaßen ab:
Erst einmal lege ich fest, was ich verdienen möchte, für den Aufwand, den ich zugegebenermaßen gerne betreibe. Hier kalkuliere ich schon die Zeit ab dem Renteneintritt bis ca. 65 Jahre mit ein. Ich muss mir dabei überlegen, welchen Betrag ich während dieser Zeit noch brauche, um, neben dem, was ich mir durch Fonds und Immobilien schon angespart habe, auf meinen Wunschbetrag zu kommen. Inflationsrate nicht vergessen!
Dann überlege ich, welche Lohnentwicklung ich anvisiere, da wir im Moment mit einem Basislohn von 17 Euro pro Stunde plus freiwillige Zulage plus Sachbezug plus private zusätzliche Krankenversicherung plus Provision zum Herbst bei 19-20 Euro wären bzw. landen möchten. Heißt, das ist unser Teamziel, unter anderem dafür leben wir unser Upgrade-Konzept. Somit ist das Team intrinsisch motiviert.
Daraus ergibt sich meine Preiskalkulation, die im Moment bei 1,50 Euro pro Minute liegt. Wenn ich erhöhe, kann es sein, dass einige Kund*innen nicht mehr kommen. Aber dadurch, dass die restlichen Kund*innen die Preisanpassung mittragen, ist die Entwicklung dennoch steigend und ich habe ein bisschen mehr Luft für neue Kund*innen, die zu diesem Preis einsteigen.“
5. Baustein: Ausbildung und Teamentwicklung
„Mein oberstes Ziel war es schon immer, die erste Adresse zu werden, wenn jemand aus dem Umkreis eine Friseurausbildung machen will und sich dafür bewirbt. Dafür muss man einiges tun! Die herkömmliche Ausbildung im Friseurhandwerk ist nicht immer effektiv. Viele junge Menschen, die sich für eine Ausbildung entscheiden, sind gezwungen, lange Stunden in Salons zu arbeiten ohne angemessene Anleitung oder Zeit für kreatives Experimentieren. Sie müssen oft monotone Aufgaben wie Haare waschen oder fegen erlegen, statt die grundlegenden Fähigkeiten und kreative Leidenschaft zu entwickeln, die für eine erfolgreiche Karriere im Friseurhandwerk erforderlich sind. Das ist auch der Grund, warum sie die Lust verlieren. Wenn wir uns die Zeit nehmen, uns mit unseren Azubis zu beschäftigen, haben wir schnell motivierte junge Menschen, die Lust auf den Friseurberuf haben und sich mit ihm entwickeln. Ich persönlich nehme mir ein mal wöchentlich vier Stunden Zeit, mit meinen Auszubildenden zu trainieren. Wir machen dann immer eine Stunde Beratungsstrategie und drei Stunden Schnitttraining an Übungsköpfen. Im Gegensatz zu Kund*innen können die Übungsköpfe nicht kurzfristig absagen, was früher oft ein Problem darstellte. Außerdem gibt es weitere Schulungsinhalte mit anderen Mitarbeitenden z. B. zum Thema Farbe / Strähnen, die auch nochmal ca. 2 bis 4 Stunden Zeit pro Woche erfordern. Viel Aufwand, aber er lohnt sich, da nur so Entwicklung möglich ist und ich meine Auszubildenden aufbaue, um genügend Nachwuchs zu haben.
Damit entsteht eine Win-Win-Situation: Ich bilde die Azubis zu kommunikationsstarken Fachkräften aus, die schnell in den Ablauf integriert werden können, von Kund*innen wertschätzender und kompetenter wahrgenommen werden und automatisch Umsatz einfahren. Nach drei Monaten sind sie bereits ausgebildete Lash- und Brow-Stylist*innen und können die Einwirkzeit der Kund*innen bespielen. Das Make-up Artist Diplom über den Zeitraum von 18 Monaten kommt noch dazu.
Unsere Auszubildenden erhalten neben einer privaten Zusatzkrankenversicherung zwischen 20 und 30 Prozent mehr Ausbildungsvergütung, abhängig von ihrem Engagement.
Wichtig ist auch, dass nie Langeweile aufkommt. Deswegen steckt das Team immer in der Entwicklung von Projekten, bei denen wir gemeinsam immer auf ein neues Ziel zusteuern. Kreative Herausforderungen können den Azubis helfen, ihre Fähigkeiten zu erweitern und ihre Leidenschaft für das Friseurhandwerk zu entfachen. Sowohl unsere Auszubildenden als auch unsere Mitarbeitenden haben von Zeit zu Zeit kreative Projekte, Fotoshootings etc., die sie selbst planen und für die sie verantwortlich sind. So war z. B. der Einsatz auf der Fashion Week Berlin für zwei Stylistinnen im letzten Jahr ein Highlight und Motivation für das ganze Team, weiter gut zu performen.“
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Respekt!!