Zentralverband Friseurhandwerk: „Die Regierung muss jetzt liefern!“
Ganz klar: Live is live! Doch auch wenn beim diesjährigen Auftaktseminar der ObermeisterInnen des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks die sonstige „Anfassmöglichkeit“ der Pandemie zum Opfer fiel, kamen die rund 140 TeilnehmerInnen auch digital auf ihre Kosten.
Die ehrenamtlich Tätigen des Friseurhandwerks sowie weitere von ZV-Präsident Harald Esser und Jörg Müller (Hauptgeschäftsführer) geladenen Gäste zoomten sich am verschneiten Sonntagnachmittag und Montagvormittag von Couch, Schreibtisch oder auch aus dem eigenen Salon durch interessante Fachvorträge und nutzten die Gelegenheit zum regen Austausch über die verzweifelte Lage der Friseurnation. Der derzeitige Fahrplan des ZV ganz klar: 1) Einen zeitnahen Re-Start der Friseurbetriebe zu erwirken und 2) für eine sofortige finanzielle Unterstützung zu kämpfen.
Gleich bei seiner Begrüßung ließ Harald Esser kaum einen Zweifel daran, dass der Lockdown aufgrund der nach wie vor hohen Zahlen und vor allem aufgrund des drohenden Mutationsvirus in die Verlängerung gehen wird. Dennoch zeigte sich der ZV-Präsident zuversichtlich, dass wenn es wieder zu Öffnungen kommen wird, die Friseurbetriebe als eine der ersten dabei sein werden.
Bis es jedoch soweit ist, leiste das Friseurhandwerk leider einen schmerzlichen Beitrag in der Pandemie-Bekämpfung, so Esser. Familienbetriebe seien in ihrer Existenz bedroht, kämpfen ums Überleben. Und das, obwohl das Friseurhandwerk nach dem 1. Lockdown mit besonderen und aufwendigen Arbeitsschutz- und Hygienemaßnahmen bewiesen hat, dass Friseurbesuche sicher sind. Umso mehr setzt der Dachverband des Friseurhandwerks mit Unterstützung seiner Landesinnungsverbände sowie den Innungen nach wie vor alle Hebel in Bewegung und kämpft unermüdlich an vorderster Front.
Zeitnahe und unbürokratische Hilfe
Gleich nach dem zweiten Lockdown hatte sich der ZV mit einem Positionspapier an die Regierung gewandt, unterstützt mit einem Sack voller frisch überarbeiteter Argumente der BGW-Experten, warum die Arbeit in einem Friseursalon für Dienstleister und Kunden sicher ist. Darin auch die Forderung einer schnellen und unbürokratischen Überbrückungshilfe III, die nun passgenau – und zwar auch für die zweite Dezemberhälfte – auf eine wöchentliche Berechnungsbasis umzustellen sei. Es bedarf in diesem Zusammenhang ebenso einer zeitnahen und unbürokratischen Gewährung von Abschlagszahlen zum Liquiditätserhalt aller und zur Insolvenzvermeidung vieler Betriebe.
Des weiteren heißt es in dem Papier, dass das Friseurhandwerk in der Lage bleiben muss, seine ambitionierte Berufsausbildung aufrecht zu erhalten. Bereits jetzt sei ein Rückgang von Ausbildungsverträgen im Friseurhandwerk um 25% zu verzeichnen. Eine nachhaltige Förderung der Ausbildungsleistung sei jetzt notwendig, um die duale Berufsausbildung zu sichern, so der ZV.
Nur gemeinsam sind wir stark
Harald Esser und Jörg Müller riefen während des Online-Seminars ihre Mitglieder immer wieder dazu auf, selbst aktiv zu werden und die Arbeit der Verbände tatkräftig zu unterstützen, indem sie z. B. einen Brief personalisieren, den der ZV auf seiner Homepage als Mustervorlage zur Verfügung stellt, und diesen an die Regierung bzw. an die jeweils lokalen Politiker und Abgeordnete zu versenden. „Nur gemeinsam sind wir stark“, hieß es an beiden Tagen immer wieder, auch im Chat.
Den Vorwurf einiger Mitglieder, der ZV agiere nicht intensiv genug in den sozialen Medien und mache nicht im ausreichenden Maße seine Aktivitäten transparent, konterte Jörg Müller damit, die Aufgabe des ZV sei es, in erster Linie Politik zu betreiben und hier in enger und intensiver Kommunikation mit den Geschäftsführern des ZDH und des UDH zu stehen, die wiederum die Anliegen des Handwerks auf direktem Wege an die höchsten Instanzen der Regierung herantragen.
Für eine aktive Facebook- und Instagramarbeit in den einschlägigen Friseurgruppen fehle es daher schlichtweg an Kapazitäten, die in der Lobbyarbeit des Verbands an anderer Stelle wirkungs- und bedeutungsvoller eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang wiesen Müller und Esser gleichwohl auf die aktive Präsenz des ZV auf Facebook hin und lobten dabei die unermüdliche Arbeit vieler Verbände, Innungen und deren ObermeisterInnen in den sozialen Medien.
Man konzentriere sich in Köln derzeit auf eine intensive Medienarbeit in TV, Rundfunk und Print, die z. B. mit der aktuellen DFB- Kampagne einen grandiosen Erfolg eingefahren und ganz Deutschland für das Thema Schwarzarbeit sensibilisiert hat. Mit einer verstärkten PR-Arbeit macht der ZV immer wieder intensiv auf die Situation des Friseurhandwerks aufmerksam.
Die Regierung muss jetzt liefern!
Harald Esser und Jörg Müller machen aus den zwei erklärten Hauptzielen der derzeitigen Verbandsarbeit kein Geheimnis. Es geht 1.) um den raschen Re-Start des Handwerks und 2.) um eine sofortige, unbürokratische Hilfe für die Betriebe. „Wer in der Presse im Zusammenhang von staatlichen Hilfen vollmundig von „Bazooka“ oder vollen „Gieskannen“ spricht, der muss auch liefern,“ so der Präsident! Der ZV macht Druck!
Brennpunkt Unternehmerlohn: SalonunternehmerInnen gehen bei den derzeitigen Regelungen noch leer aus und erhalten auch kein Kurzarbeitergeld. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die diese Menschen berücksichtigen. Auch dafür kämpft der ZV an vorderster Front. Dass in der aktuellen Situation der Schwarzarbeit Toren und Türe geöffnet werden, muss ebenfalls – und insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemiebekämpfung – umgehend gestoppt werden, so Esser. Daher fordert der ZV jetzt rasche Soforthilfen und nicht erst in einigen Monaten.
Darum ist Corona mitten unter uns!
Emotionaler Höhepunkt des diesjährigen Auftakt-Seminars der ObermeisterInnen war zweifelsohne der offene und schonungslose Bericht von Friseurunternehmer und ICD Frontmann Manfred Hohmann, der eine schwerste und lebensbedrohliche Covid-19-Erkrankung durchlitten hat und sich nach vielen Wochen auf der Intensivstation mit Koma und künstlicher Beatmung nun seit Monaten ins Leben zurückkämpft.
Hohmann geht davon aus, dass sich im Fahrplan für einen Re-Start weitere Arbeitsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen wie das verpflichtende Tragen einer FFP2-Maske und die Verwendung von Hepa13- oder Hepa14-Filtern nicht vermeiden lassen. Von der Presse fordert er, dem Friseurhandwerk noch mehr Lobby zu bieten und vor allem das Thema „schwarze Schafe“ an den Pranger zu stellen. „Wir müssen jetzt alle zusammenhalten und voneinander lernen! Es ist wichtig, jetzt keine Luftschlösser zu bauen, sondern auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden,“ beschließt Hohmann seinen unter die Haut gehenden Vortrag.
Demnächst wird er sogar bei Markus Lanz von seinem schweren Schicksalsschlag berichten und dabei versuchen, auch auf die dramatische Situation der Friseure aufmerksam zu machen.
Nach weiteren Vorträgen von Uli Rohr (Branchenexperte und Unternehmensberater), Extremsportler Joey Kelly (Kelly Family), Tobias Klumpp (Meidenexperte und Verleger), Albert Bachmann (Unternehmensberater) und Birgit Huber (IKW), waren es vor allem die Fragerunden, die den TeilnehmerInnen spürbar am Herzen lagen und die sowohl im Chat als auch via Zuschaltung rege genutzt wurden. Es geht halt auch „mit Abstand“ nichts über den persönlichen Austausch!
In seinem Schlusswort rief Harald Esser seine ObermeisterInnen, die EhrenamtsträgerInnen in Innungen und Verbänden, die Kreishandwerkerschaften, Handwerkskammern, den ZDH und UDH dazu auf, gemeinsam mit befreundeten Verbänden wie IKW, VDF und ICD sowie der haarkosmetischen Industrie für die Zukunft des Friseurhandwerks zu kämpfen.
Mein Fazit
Klar zu spüren beim Auftakt-Seminar 2021 der ObermeisterInnen die verständliche Dünnhäutigkeit und Ängste der TeilnehmerInnen, aber ebenso eine große Portion an Solidarität und Dankbarkeit, gerade jetzt einer Gemeinschaft anzugehören, in der zusammen gegen die fatal drohenden Auswirkungen der Krise gekämpft wird. Konstruktive Diskussionen und Kritik, Lösungsvorschläge für alle, Bereitschaft zu helfen, gegenseitige Akzeptanz! Ein Hauch von positiver Zukunft! Trotz allem!
Ich würde mir wünschen, diesen Spirit auf ein ähnliches Niveau in unsere sozialen Medien transportieren zu können!
Gabriela Contoli